Tipps und Urteile

Störmanöver bei Betriebsratswahl Aldi-Süd:
Wird bei einer Betriebsversammlung, zu der eingeladen worden ist zur Wahl eines Wahlvorstands, kein Wahlvorstand gewählt, so ist vom Arbeitsgericht auf Antrag ein Wahlvorstand einzusetzen. Welche Gründe dazu geführt haben, dass keine Wahl eines Wahlvorstands erfolgt ist, spielt keine Rolle (Arbeitsgericht Mönchengladbach, Beschluss vom 19.08.2022, Aktenzeichen 5 BV 20/22)

In Betrieben ohne Betriebsrat muss vor Einleitung einer Betriebsratswahl zunächst ein Wahlvorstand gewählt werden, der für die Durchführung der Betriebsratswahl verantwortlich ist. Das Betriebsverfassungsgesetz schreibt vor, dass das Gericht auf Antrag einen Wahlvorstand bestellt, wenn trotz Einladung keine Betriebsversammlung stattfindet oder auf der Betriebsversammlung kein Wahlvorstand gewählt wird. Weitere Voraussetzungen werden in §§ 17 Abs. 4, 17 Nummer 4 Betriebsverfassungsgesetz nicht genannt. Auf diese simple Aussage des Gesetzes berief sich das Arbeitsgericht Mönchengladbach.

Es fanden 2 Betriebsversammlungen statt, am 14.04.2022 und am 16.08.2022, anlässlich derer kein Wahlvorstand gewählt werden konnte. Genaueres zum Sachverhalt ist der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Mönchengladbach nicht zu entnehmen, der Beschluss ist bisher nicht veröffentlicht. Man kann sich vorstellen, dass angesichts des Antrags der Arbeitnehmer an das Gericht von der Arbeitgeberseite Sachverhalt vorgebracht worden sein dürfte in die Richtung, dass das Nichtzustandekommen der Wahl eines Wahlvorstands von den Einladern zur Betriebsversammlung verursacht sei.

Bewertung / Tipp:
Die Entscheidung ist richtig, kein Zweifel. Es soll hier versucht werden, mutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen Betriebsrat gründen wollen, zu demoralisieren.
Allein die Dauer des Verfahrens arbeitet hier natürlich zugunsten der Arbeitgeberin. Den auf der Seite „www.labournet.de“ unter der Überschrift „„Klima der Angst“: Streit um Betriebsrat bei Aldi Süd in NRW“ zusammengestellten Zeitungs- und Internetartikeln ist zu entnehmen, dass es bei der ersten Betriebsversammlung am 14.04.2022 zu tumultartigen Zuständen gekommen sei, wegen derer auch die Polizei habe gerufen werden müssen.
Auf der Internetseite „arbeitsunrecht.de“ wird unter der Überschrift „ALDI Süd: Wahlvorstand für Betriebsrat in Region Dormagen per Gerichtsbeschluss“ über das Verfahren berichtet. Dort findet sich auch eine Verlinkung auf ein Solidaritätsvideo dreier SPD-Bundestagsabgeordneter.
Interessant ist auch der Bericht der Journalistin Jessica Reissner von der Betriebsversammlung vom 14.04.2022 auf der Seite „arbeitsunrecht.de“ mit dem Titel „Aldi-Süd: Betriebsratsgründung endet mit Tumult und Polizeieinsatz“. Es wird dort berichtet, dass 526 Personen in Köln an der Versammlung teilgenommen hätten. Unter den Anwesenden hätten sich „deutlich über 100“ Filialleiter, stellvertretende Filialleiter und Nachwuchs- Filialleiter*innen befunden, die durch ununterbrochene Zwischenrufe von Beginn an die Versammlung gestört und eine Änderung der Tagesordnung gefordert hätten. Als ca. 1 Stunde nach Beginn der Versammlung ein Versammlungsleiter habe bestimmt werden sollen, habe ein Filialleiter sich zum Versammlungsleiter wählen lassen wollen und lautstark gefordert, offene anstatt von geheimen Wahlen durchzuführen. Dieser Filialleiter soll behauptet haben, dass alle, die kein Problem mit offenen Wahlen hätten, per Handzeichen abstimmen könnten. Wer geheime Wahlen wolle, könne dann noch geheim wählen. Das ist offenkundiger Unsinn. Es hätten dann mehrere Personen die Bühne gestürmt, es habe Gerangel und Beleidigung gegeben. Die Veranstalter hätten die Polizei gerufen und es sei nicht mehr zu einer Wahl gekommen. Es ging also, wie auf „arbeitsunrecht.de“ zu lesen ist, „ganz nach dem Drehbuch des klassischen Union Busting“.

Eine Darstellung des durch das am 18.06.2021 in Kraft getretene sogenannte „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ verbesserten Schutzes von Betriebsratswahlen finden Sie hier:

https://www.anwalt-fuer-arbeitsrecht-bremen.de/tipps-und-urteile/tipps-und-urteile-zum-arbeitsrecht-2022/verschaerfung-des-strafrechtlichen-schutzes-von-betriebsratsgruendungen
(eingestellt am 15.09.2022)