Kündigung und Abfindung

Viele glauben, dass automatisch mit der Kündigung ein Anspruch auf Abfindung entsteht. Das stimmt nicht. Das Kündigungsschutzgesetz sieht nur in 2 Ausnahmefällen vor, dass der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen muss.
Das Kündigungsschutzgesetz ist ein Kündigungsschutzgesetz und kein Abfindungsgesetz. Trotzdem enden viele Prozesse vor den Arbeitsgerichten durch Vergleich mit Abfindung.
Warum ist das so? Zahlt der Arbeitgeber eine Abfindung, weil angesichts der erfolgten Kündigung plötzlich sein soziales Gewissen schlägt, oder weil er das Gefühl bekommt, er müsse dem Arbeitnehmer einen Ausgleich für die vorangegangene schlechte Bezahlung schaffen, oder er müsse den Arbeitnehmer für früheres Mobbing entschädigen?
Nein. Die Abfindung zahlt der Arbeitgeber, um mögliche spätere Verluste zu minimieren.
Verluste können dem Arbeitgeber aus folgendem Grund entstehen: Kündigungsschutzprozesse können sich über mehrere Jahre hinziehen. Das ergibt sich aus dem möglichen Instanzenzug: Arbeitsgericht – Landesarbeitsgericht – Bundesarbeitsgericht (Soweit zur Arbeitsgerichtsbarkeit. Denkbar sind noch Rechtsmittel zu weiteren Gerichten, etwa Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof). Wenn der Arbeitnehmer in dieser Zeit arbeitslos sein sollte und später den Prozess vor dem Arbeitsgericht gewinnt, können ganz erhebliche Vergütungsnachzahlungen auf den Arbeitgeber zukommen. Solche bösen Überraschungen versucht er durch Zahlung einer Abfindung zu vermeiden.
Je näherliegend für ihn die Gefahr ist, dass der Arbeitnehmer gewinnt („dass das Haus abbrennt“), desto eher wird er bereit sein, eine Abfindungssume („die Feuerversicherung“) zu zahlen. Meine Aufgabe als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist es, Punkt für Punkt die Fehler in der Kündigung herauszuarbeiten, die dazu führen können, dass die Kündigung unwirksam ist.
Die „Regelabfindung“ liegt bei einer halben Bruttomonatsvergütung pro Beschäftigungsjahr. Wenn die Chancen der Kündigungsschutzklage überdurchschnittlich gut sind, liegt auch die Abfindung höher.
Der Begriff „Regelabfindung“ wird gern von Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichtern benutzt. Er suggeriert, es gelte eine feststehende gesetzliche Regel über die Höhe einer Abfindung. Tatsächlich gibt es keine feststehende Regel. Sie ist von vielen Faktoren abhängig, von denen einige auch nicht in Büchern stehen.