Tipps und Urteile

Eine langzeiterkrankte Arbeitnehmerin hat einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess (Arbeitsgericht Verden, Urteil vom 06.09.2022, Aktenzeichen 2 Ca 145/22)
Die Arbeitnehmerin, eine Köchin, war langzeiterkrankt. Sie bekam von ihrer behandelnden Ärztin einen Wiedereingliederungsplan, der eine 4-wöchige Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess mit reduzierter, sich allmählich steigernder Arbeitsstundenzahl vorsah.

Die Wiedereingliederung lief auch an 2 Tagen mit täglich 2 Stunden gut. Am 3. Tag wurde sie an einem Arbeitsplatz eingesetzt, an dem ein stoßweise arbeitendes Gebläse zu gesundheitlichen Beschwerden führte. Die Küchenleitung bestand auf einem weiteren Einsatz ausgerechnet an diesem Arbeitsplatz, obwohl es weitere Arbeitsplätze für die Klägerin gab, für die sie infrage kam.

Als Begründung erklärte die Arbeitgeberin, ein Einsatz mit nur 2 Stunden oder ohne Tätigkeiten an dem belastenden Arbeitsplatz sei nicht möglich, auch nicht im Wege der Wiedereingliederung.

Mit diesen Argumenten hatte die Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht Verden keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht ging von einer Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin aus, die sich aus §§ 611 a, 241 Abs. 2 BGB ergebe. Die beklagte Arbeitgeberin habe keine Belastungen durch Vergütungspflicht, allein durch die Organisationspflicht. Die Klägerin müsse nicht sofort einen Arbeitsplatz laut Dienstplan ausfüllen. Sie sei mit zusätzlichen Arbeiten im Rahmen der Tätigkeit einer Köchin im Betrieb einzusetzen.

Das Arbeitsgericht Verden verurteilte dementsprechend die Arbeitgeberin, die Wiedereingliederung über 4 Wochen durchzuführen und der Klägerin entsprechend dem ärztlichen Wiedereingliederungsplan einen Arbeitsplatz als Köchen zuzuteilen und sie entsprechend zu beschäftigen.

Bewertung / Tipp:
Bei der betrieblichen Wiedereingliederung handelt es sich um eine Maßnahme, die von der Krankenkasse zu bezahlen ist. Während dieser Zeit gilt die Arbeitnehmerin weiterhin als arbeitsunfähig. Die Krankenkasse zahlt ihr weiterhin Krankengeld. Die Arbeitgeberin wird während dieser Zeit nicht durch Vergütungszahlungen belastet. Sie kommt in den Genuss des Vorteils von Arbeitsleistung, die sie nicht bezahlen muss. Da ist dem Arbeitsgericht Verden zuzustimmen, dass eine entsprechende Organisationsleistung der Arbeitgeberin ohne weiteres zuzumuten ist.

Wird von der Arbeitgeberin eine stufenweise Wiedereingliederung zu Unrecht verweigert, kann sich daraus ein Schadensersatzanspruch der Arbeitnehmerin ergeben.
Siehe auch: https://www.anwalt-fuer-arbeitsrecht-bremen.de/2019/wiedereingliederungsplan
(eingestellt am 31.10.2022)