Tipps und Urteile 2019

Aus der Ablehnung des Antrags eines schwerbehinderten Menschen, ihn nach einem Wiedereingliederungsplan seines behandelnden Arztes stufenweise in das Erwerbsleben wieder einzugliedern, kann sich ein Schadenersatzanspruch des betroffenen Arbeitnehmers ergeben. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2019, 8 AZR 530/17)
Der betroffene schwerbehinderte Mensch ist als Angestellter bei der beklagten Stadt beschäftigt. Er legte einen ersten Wiedereingliederungsplan seines behandelnden Arztes vor, der eine stufenweise Eingliederung für den Zeitraum vom 16.11.2015 bis zum 15.01.2016 vorsah. Die beklagte Stadt lehnte die Wiedereingliederung jedoch ab. Sie berief sich darauf, dass die Betriebsärztin bestimmte Einschränkungen in der Tätigkeit, die der Angestellte ausführen sollte, befürwortet hatte. Der Kläger legte daraufhin einen weiteren Wiedereingliederungsplan vor, der eine Wiedereingliederung in der Zeit vom 04.01.2016 bis zum 04.04.2016 vorsah. Es war ein Bericht der behandelnden Psychologin beigefügt, aus dem sich ergab, dass Einschränkungen in der Tätigkeit nicht mehr notwendig waren. Diese Wiedereingliederung wurde durchgeführt. Der Kläger wurde am 07.03.2016 wieder voll arbeitsfähig.

Der Kläger hatte mit der Klage gegen die Stadt die Zahlung der Vergütung geltendgemacht, die ihm in der Zeit vom 18.01.2016 bis zum 06.03.2016 dadurch entgangen war, dass die Stadt die Wiedereingliederung nach dem 1. Wiedereingliederungsplan abgelehnt hatte. Das Datum „18.01.2016“ ergibt sich daraus, dass sein behandelnder Arzt in dem 1. Wiedereingliederungsplan den 18.01.2016 als den absehbaren Zeitpunkt der vollen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers angegeben hatte.

Der Kläger hatte in der 1. Instanz vor dem Arbeitsgericht verloren und in der 2. Instanz vor dem Landesarbeitsgericht gewonnen. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Befürchtung der Stadt durch die Beurteilung der Betriebsärztin begründet war. Dies stellte nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts einen besonderen Umstand dar, der die Stadt berechtigte, an der ersten stufenweisen Wiedereingliederung nicht mitzuwirken.

Beurteilung: Aufgrund der Besonderheit des Falls hat der Kläger hier den Prozess verloren. Aus der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (Pressemitteilung Nummer 22/19) lässt sich aber entnehmen, dass grundsätzlich eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, an einer stufenweisen Wiedereingliederung von schwerbehinderten Menschen mitzuwirken. Diese ergibt sich, so das BAG, aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nummer 1 SGB IX (ab dem 01.01.2018 hat sich die „Hausnummer“ des Paragrafen geändert, jetzt ist es § 164 Abs. 4 Satz 1 Nummer 1 SGB IX). Wird das nicht beachtet, kann sich daraus auch ein Schadenersatzanspruch ergeben.
(eingestellt am 17.05.2019)