Tipps und Urteile

Der Absender einer E-Mail muss den Zugang beim Empfänger darlegen und beweisen (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.01.2022, Aktenzeichen 4 Sa 315/21)
Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln trägt der Absender einer E-Mail die volle Darlegungs- und Beweislast für den Zugang einer E-Mail.

Es ging in diesem Fall um viel Geld. Der Kläger des Verfahrens war Pilot. Die Arbeitgeberin hatte ihm ein Darlehen in Höhe von 60.000 € gewährt, das half, seine Ausbildung zum Piloten zu finanzieren. In dem Darlehensvertrag war vereinbart worden, dass der Kläger zur Rückzahlung des Darlehens nur verpflichtet sein sollte, wenn die Arbeitgeberin ihm innerhalb von 5 Jahren nach Abschluss der Ausbildung einen Cockpit-Arbeitsplatz anbieten würde.
Der Kläger schloss seine Ausbildung ab. Die daran anschließende 5-Jahres-Frist lief ab am 26.10.2018. Die Arbeitgeberin bot dem Kläger mit Schreiben vom 25.10.2018 einen Arbeitsplatz an. Das Schreiben ging dem Kläger am 27.10.2018, also einen Tag nach Ablauf der Frist, zu.
Soweit sind die Parteien des Rechtsstreits sich hinsichtlich des Sachverhalts einig.

Strittig ist die Absendung einer E-Mail, mit der die Beklagte dem Kläger ebenfalls ein Angebot machte. Die Beklagte trug vor, dass die E-Mail am 25.10.2018 an den Kläger abgesandt wurde. Der Kläger behauptet, die E-Mail sei ihm erst am 28.10.2018 zugegangen.
Da nicht mehr festgestellt werden konnte, welche Sachverhaltsdarstellung die zutreffende war, entschied das Gericht nach der Beweislast. Die Arbeitgeberin konnte ihre Sachverhaltsversion, wonach die E-Mail den Kläger rechtzeitig erreicht hatte, nicht beweisen, deshalb verlor sie den Rechtsstreit.
Es sind bis zu der hier vorliegenden Entscheidung 2 andere Entscheidungen bekannt geworden, nämlich das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 23.10.2008, Aktenzeichen 30 C 730/08-25, dass die Auffassung vertreten hat, dass dem Absender einer E-Mail der Beweis des 1. Anscheins zur Seite stehe, dass die E-Mail zugegangen sei, wenn er keine Rücksendung als unzustellbar erhalten habe.
Eine entgegengesetzte Auffassung hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 24.08.2018, Aktenzeichen 2 Sa 403/18 vertreten. Danach begründet die Absendung einer E-Mail keinen Beweis des 1. Anscheins für den Zugang beim Empfänger.
Der letztgenannten Entscheidung hat sich das Landesarbeitsgericht Köln angeschlossen. Es führte aus, dass eine E-Mail auf einem Server eingeht. Dies sei aber nicht sicher. Wie bei Briefpost sei es auch bei E-Mails technisch möglich, dass diese verloren gehe.
Dies Risiko müsse der Versender der E-Mail tragen, denn er habe selbst diesen Versendungsweg gewählt. Er könne sich auch selbst schützen, da E-Mail-Programme die Möglichkeit böten, eine Lesebestätigung anzufordern. Anknüpfungsnorm ist § 130 Abs. 1 BGB.
Ergebnis der obigen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts Köln war, dass der Pilot den Darlehensbetrag nicht zurückzahlen musste.

Bewertung / Tipp:
Die Begründung, dass der Versender einer E-Mail diesen Versendungsweg gewählt hat und deshalb auch die Verantwortung (Beweislast) dafür tragen muss, dass die E-Mail den Empfänger erreicht hat, überzeugt.

Fristwahrung mit E-Mails ist immer eine problematische und risikobehaftete Aktion. Wenn es Ihnen möglich ist, wählen Sie andere, sicherere Übersendungswege! Für beweisbar und sicher würde ich nur die Variante halten, dass der Empfänger direkt auf die E-Mail antwortet, und zwar so, dass die abgesendete E-Mail in der Antwort-E-Mail enthalten ist.

Tipps für sichere und beweisbare Versendungsmöglichkeiten finden Sie hier:
https://www.anwalt-fuer-arbeitsrecht-bremen.de/tipps-und-urteile/2018/zustellung

(eingestellt am 15.03.2022)