Tipps und Urteile

Fallen einzelne Arbeitstage wegen Kurzarbeit vollständig aus, so führt das zu einer Kürzung des Urlaubsanspruchs. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.11.2021, Aktenzeichen 9 AZR 225/21) Das gilt auch, wenn die Kurzarbeit nicht auf einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung beruht, sondern auf einer Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.11.2021, Aktenzeichen 9 AZR 234/21)
Die Urteile sind bisher noch nicht veröffentlicht. Bisher gibt es nur eine Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts dazu. Das Bundesarbeitsgericht hat mit dem erstgenannten Urteil ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf bestätigt. Ich habe über diesen Fall schon berichtet.  ( S.a.: https://www.anwalt-fuer-arbeitsrecht-bremen.de/tipps-und-urteile/tipps-und-urteile-zum-arbeitsrecht-2021/urlaubsanspruch-bei-kurzarbeit) Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil als entscheidenden Gesichtspunkt gesehen, dass Voraussetzung für einen Urlaubsanspruch die Verpflichtung zur Arbeit sei. Der Urlaub dient dazu, sich von der Arbeit zu erholen. Durch die vertragliche Vereinbarung von „Kurzarbeit Null“ wird die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers aufgehoben. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf eine Kürzung des geltend gemachten Urlaubsanspruchs vorgenommen, die das Bundesarbeitsgericht bestätigte.

Es ging um einen Fall, in dem die Arbeitnehmerin in einer 3-Tage-Woche beschäftigt war. Arbeitsvertraglich standen ihr 28 Werktage Urlaub zu. Das entspricht rechnerisch 14 Arbeitstagen Urlaub.
Wenn das ganze Kalenderjahr über gleichmäßig nur an einigen Tagen einer Woche gearbeitet wird, erfolgt die Berechnung des Urlaubsanspruches so:
Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) steht den Arbeitnehmern ein Mindesturlaubsanspruch von 24 Werktagen im Jahr zu (Montag bis Samstag sind Werktage). Das Bundesarbeitsgericht rechnet mit der Formel:

24 Werktage nach BUrlG x Anzahl der für den Arbeitnehmer gültigen Arbeitstage
________________________________________________________________  

                                                                                6
= Anzahl der bezahlten Urlaubstage

Sind arbeitsvertraglich, wie im vorliegenden Fall, 28 Werktage Urlaub vereinbart, lautet die Formel:

28 Werktage nach Arbeitsvertrag x Anzahl der für den Arbeitnehmer gültigen Arbeitstage
_______________________________________________________________________ 

                                                                    6
 = Anzahl der bezahlten Urlaubstage


Aus der 3-Tage-Woche ergaben sich daher rechnerisch 14 bezahlte Urlaubstage.

Ändert sich innerhalb eines Kalenderjahres die Arbeitszeitregelung, muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine auf das Jahr bezogene Betrachtung angestellt werden.
Das Bundesarbeitsgericht geht für eine Sechstagewoche von (52 Wochen x 6 Werktage =) 312 Tagen mit Arbeitspflicht aus, für eine Fünftagewoche von (52 Wochen x 5 Werktage =) 260 Tagen, für eine 3-Tage-Woche (52 Wochen x 3 Werktage =) 156 Tagen mit Arbeitspflicht, usw..

Für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs (24 Werktage) lautet die Berechnungsformel:

24 Werktage Mindesturlaub nach BUrlG x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht
____________________________________________________________    

                                                    312 Werktage
= Urlaubsanspruch

 

Sind arbeitsvertraglich mehr Urlaubstage vereinbart, im vorliegenden Fall zum Beispiel 28 Urlaubstage bei einer 3-Tage-Woche, lautet die Berechnungsformel

28 Werktage vertraglicher Urlaub x 156 Tage mit Arbeitspflicht 
__________________________________________________   

                                            312 Werktage
= 14 Tage Urlaubsanspruch

 

Das wäre der Anspruch der Klägerin im vorliegenden Fall gewesen, wenn sie keine Vereinbarung über Kurzarbeit mit dem Arbeitgeber gehabt hätte.

Es sind im vorliegenden Fall aber 3 Monate der Arbeitszeit wegen der Kurzarbeit vollständig ausgefallen. § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG stellt auf 13 Wochen für ein Vierteljahr ab, sodass von ihr (13 Wochen x 3 Tage „mit Arbeitspflicht“ =) 39 Tage mit Arbeitspflicht weniger im Kalenderjahr 2020 belegt waren, also (156 Tage -39 Tage =) 117 Tage.

Die Berechnung ihres Urlaubsanspruchs lautet nach dem Bundesarbeitsgericht daher:

28 Werktage vertraglicher Urlaub x 117 Tage mit Arbeitspflicht
_________________________________________________ 

312 Werktage
= 10,5 Arbeitstage

Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Urteil erwähnt das nicht, doch ist der Anspruch gemäß § 5 Abs. 2 BUrlG auf 11 Arbeitstage aufzurunden.
Der Arbeitgeber hatte der Arbeitnehmerin etwas mehr, nämlich 11,5 Urlaubstage, zugestanden. Das Bundesarbeitsgericht sah ihren Urlaubsanspruch daher als erfüllt an.

In dem weiteren Urteil vom 30.11.2021 (Aktenzeichen 9 AZR 234/21) hat das Bundesarbeitsgericht ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg bestätigt. Das Bundesarbeitsgericht erklärte die obigen Grundsätze auch für anwendbar, wenn die Kurzarbeit „Null“ nicht auf einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern einer Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber beruht.(Eingestellt am 01.12.2021)