Tipps und Urteile

Ein Einwurfeinschreiben ist kein sicherer Nachweis für den Zugang eines Kündigungsschreibens (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.09.2020, Aktenzeichen 3 Sa 38/19)
Die Arbeitgeberin hatte dem Arbeitnehmer nach ihrem Vortrag ein Kündigungsschreiben per Einwurfeinschreiben übersandt. Der Arbeitnehmer erhob eine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis über den 31.07.2017 hinaus fortbesteht. Er trug vor, er habe das Kündigungsschreiben vom 19.07.2017 gar nicht erhalten (ich gehe davon aus, er hat es nicht erhalten, aber auf anderem Wege davon erfahren, dass die Arbeitgeberin sich darauf berief. Das Urteil teilt dazu keine weiteren Hintergründe mit). Er hatte bei dem Arbeitsgericht Reutlingen und, nachdem die Arbeitgeberin Berufung eingelegt hatte, auch bei dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Erfolg.

Nochmals erinnert dies Urteil daran, dass ein Einwurfeinschreiben kein sicherer Beleg für den Zugang eines Schriftstücks darstellt. Die Arbeitgeberin hatte einen Einlieferungsbeleg vorgelegt und außerdem einen „Sendungsstatus“, den sie aus dem Internet ermittelt hatte und aus dem sich ergab, dass das Kündigungsschreiben zugestellt worden war.
Das hat das Landesarbeitsgericht schon als nicht ausreichenden Vortrag angesehen. Denn die Arbeitgeberin hatte keinen Auslieferungsbeleg vorgelegt.
Aus dem Sendungsstatus geht weder der Name des Postzustellers hervor noch wird dessen Unterschrift reproduziert.
Der Auslieferungsbeleg hingegen ist ein Dokument, das der Postmitarbeiter, der das Schreiben in den Briefkasten des Empfängers einwirft, erstellt. Dies wird in einem Lesezentrum der Post eingescannt. Dadurch werden die genauen Auslieferungsdaten – Datum und Ort des Einwurfs und Namenszeichen des Mitarbeiters der Deutschen Post AG – dokumentiert. Der Absender kann gegen eine Gebühr durch Anruf in einem Callcenter der Post einen Ausdruck des Auslieferungsbelegs erhalten.

Hier hat die Arbeitgeberin den Rechtsstreit schon mangels Vorlage des Auslieferungsbelegs verloren. Aber selbst wenn sie diesen vorgelegt hätte, wäre keineswegs sicher gewesen, dass sie den Rechtsstreit gewonnen hätte. Denn, wie schon das erstinstanzliche Gericht ausführte, würden bei Postzustellung „nicht selten Fehlleistungen“ erfolgen.

Bewertung / Tipp:
Einige Gerichte betrachten einen vorgelegten Einlieferungsbeleg zusammen mit einem vorgelegten Auslieferungsbeleg als „Beweis des ersten Anscheins“. Ein solcher lässt sich aber häufig schon mit dem Argument, dass bei Postzustellungen des Öfteren Fehler vorkommen, entkräften. Beispielsweise, wenn es in einem Haus mehrere Briefkästen gibt, sodass ein Irrtum des Postzustellers nicht völlig ausgeschlossen ist.
Derjenige, der den Zugang eines Briefes nachweisen muss, wird dann dem Gericht den Postzusteller als Zeugen benennen. Ob dieser sich aber an einen zum Zeitpunkt des Gerichtstermins ja schon lange zurückliegenden Tag mit einem alltäglichen Vorgang wie dem Einwurf eines Einwurfeinschreibens in den Briefkasten noch erinnert, ist nach der Lebenserfahrung höchst zweifelhaft.
Hinweise dazu, wie Sie ein Schreiben möglichst rechtssicher nachweisbar zustellen können, finden Sie hier: https://www.anwalt-fuer-arbeitsrecht-bremen.de/tipps-und-urteile/2018/widerruf-arbeitszeugnis
(eingestellt am 01.03.2020)