Tipps und Urteile

Entschädigung für schwerbehinderte Rechtsanwältin in Höhe von 2 Gehältern (8958,82 €) wegen nicht ordnungsgemäßer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bei einem öffentlichen Arbeitgeber.
Wird von einem öffentlichen Arbeitgeber mit einer Einladungsfrist von 3 Arbeitstagen eingeladen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass es keinen Ausweichtermin geben wird, so ist das keine gesetzeskonform Einladung gemäß § 82 Satz 2 SGB 9 alte Fassung / § 165 Satz 3 SGB 9 neue Fassung. (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 12.10.2020, Aktenzeichen 7 Sa 1042/19)


Gemäß § 165 Satz 3 SGB 9 sind öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Menschen vor Besetzung eines Arbeitsplatzes immer zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Hier hatte sich eine Juristin, die freiberuflich als Rechtsanwältin und Parlamentsstenografin tätig war, bei einem Landkreis als Juristin beworben. Der Landkreis lud sie zu einem Vorstellungsgespräch ein. Der Vorstellungstermin lag 3 Werktage (insgesamt 6 Kalendertage) nach der Einladung. Schon in der Einladung wurde ihr mitgeteilt, dass ein Ausweichtermin nicht angeboten werden könne. Trotzdem bat sie um einen Ausweichtermin. Einen solchen gewährte der beklagte Landkreis aber nicht.
Die Juristin machte geltend, dass bei einer solch kurzfristigen Einladung ohne Ersatztermin keine ordnungsgemäße Einladung zu einem Vorstellungsgespräch im Sinne von § 165 Satz 3 SGB 9 vorliege. Sie verlangte eine angemessene Entschädigung in Geld gemäß § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Eine solche sprach das Gericht auch zu, und zwar in Höhe von 2 Gehältern in Höhe des Betrages, den sie erhalten hätte, wenn sie die Stelle bekommen hätte.
Neben dem Verstoß gemäß § 165 Satz 3 SGB 9 sah das Gericht auch eine Verletzung von § 178 Abs. 2 SGB 9.
Der öffentliche Arbeitgeber ist gemäß § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB 9 außerdem verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat bzw. die Personalvertretung unmittelbar nach Eingang von Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen oder Schwerbehinderten gleichgestellten Menschen zu unterrichten. Das hatte der beklagte Landkreis auch gemacht.
Von der weiteren Entwicklung hatte der Landkreis die Schwerbehindertenvertretung aber nicht informiert. Er hätte, so die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, gemäß § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB 9 in Verbindung mit § 178 Abs. 2 SGB 9 die Schwerbehindertenvertretung auch darüber informieren müssen, wie es nach der Einladung weiterging und dass die Klägerin den zuerst anberaumten Vorstellungstermin nicht wahrnehmen konnte und um einen weiteren Termin gebeten hatte, den der Landkreis aber abgelehnt hatte.

Bewertung / Tipp:
Eine Entscheidung, die die Position schwerbehinderter Bewerber stärkt. Dem Landesarbeitsgericht ist zuzustimmen, dass eine Frist in einer Einladung von 3 Werktagen ohne die Möglichkeit der Verlegung des Termins keine ordnungsgemässe Einladung darstellt. Auch die Feststellung des Gerichts, dass die unterlassene Information über die weitere Entwicklung nach der Einladung zu dem Gespräch und insbesondere über die Bitte nach einem Ersatztermin und dessen Ablehnung § 178 Abs. 2 SGB 9 verletzt, dürfte zutreffend sein.

Bitte beachten Sie meinen Hinweis auf die relativ kurzen Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Entschädigung nach dem AGG am Ende des hier verlinkten Artikels:
https://www.anwalt-fuer-arbeitsrecht-bremen.de/tipps-und-urteile/tipps-und-urteile-zum-arbeitsrecht-2022/schmerzensgeldanspruch-wegen-benachteiligung
(eingestellt am 15.06.2023)