Tipps und Urteile
Einem Betriebsratsmitglied darf kein Hausverbot erteilt werden. Das kommt nur in ganz extremen Ausnahmefällen in Betracht. (Hessisches Landesarbeitsgericht, Pressemitteilung vom 04.09.2023 zum Beschluss vom 28.08.2023, Aktenzeichen 16 TaBVGa 97/23)
Im vorliegenden Fall hatten Mitarbeiter der HR und der Betriebsleiter der Arbeitgeberin dem betroffenen Betriebsratsvorsitzenden verweigert, von diesem überreichte Unterlagen entgegenzunehmen. Der Betriebsratsvorsitzende hat dann die Unterlagen im Vorzimmer der Betriebsleitung selbst mit einem Eingangsstempel versehen.
Daraufhin leitete die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Betriebsratsvorsitzenden ein. Außerdem erstattete sie eine Strafanzeige wegen Urkundenfälschung und erteilte ihm ein Hausverbot.
Der Betriebsratsvorsitzende beantragte daraufhin, ihm den Zugang zum Betriebsgebäude für die Ausübung seines Betriebsratsamtes zu gewähren.
Mit diesem Antrag hatte er in beiden Instanzen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht führte aus, dass nach dem Grundkonzept des Betriebsverfassungsgesetzes Betriebsräte in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert oder gestört werden dürften.
Bei ganz gravierenden Pflichtverletzungen müsse der Arbeitgeber einen Antrag auf vorläufige Untersagung der Betriebsratstätigkeit stellen. Es komme, so das Landesarbeitsgericht, nicht auf die strafrechtliche Bewertung des Tatvorwurfs an, sondern darauf, ob es dem Arbeitgeber unzumutbar sei, weiterhin vertrauensvoll mit dem Betriebsratsmitglied zusammenzuarbeiten. Eine solche tief greifende Unzumutbarkeit sah das Landesarbeitsgericht nicht. Und somit sei es auch keine Rechtfertigung dafür, dem Betriebsratsvorsitzenden den Zugang zum Betriebsgebäude bis zum rechtskräftigen Abschluss des Amtsenthebungsverfahrens ungehindert zu gewähren.
Bewertung / Tipp:
Es ging also um 2 arbeitsrechtliche und ein strafrechtliches Verfahren. In dem 1. arbeitsrechtlichen Verfahren um den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat (vom Arbeitgeber eingeleitet), in dem 2. – das hier vorliegende Verfahren – um das dem Betriebsratsvorsitzenden erteilte Hausverbot (vom Betriebsratsvorsitzenden eingeleitetes Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung).
Das 1. Verfahren kann noch sehr lange andauern, es sind mindestens 3 Instanzen möglich. So war es das Interesse des Betriebsratsvorsitzenden, für die Dauer dieses Verfahrens seinen Zugang zum Gebäude und seine Betriebsratstätigkeit abzusichern.
Dies gesetzlich geschützte Interesse hat das Gericht zu Recht gesichert. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Amtsenthebungsverfahrens darf der Betriebsratsvorsitzende weiterhin das Gebäude ungehindert betreten.
Das Gericht hat der Arbeitgeberin den Hinweis erteilt, dass sie nicht einfach das Hausverbot hätte erteilen dürfen. Sie hätte zuvor eine einstweilige Verfügung auf Untersagung der weiteren Betriebsratstätigkeit beim Arbeitsgericht beantragen müssen. Gleichzeitig hat das Landesarbeitsgericht aber auch darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung ein solcher Antrag keine Erfolgsaussicht hätte.
Eine richtige und begrüßenswerte Entscheidung.
Man kann sich leicht zusammenfantasieren, was den Betriebsratsvorsitzenden zu dieser Aktion (also dem Abstempeln) gebracht hat.
n Konfliktsituationen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung muss immer ein möglicher späterer Prozess „mitgedacht“ werden. Deshalb ist es notwendig, den Zugang gewisser Schriftstücke und Nachrichten an die Arbeitgeberseite nachzuweisen. Eine solche Motivation dürfte hinter der „Verzweiflungstat“ des Betriebsratsvorsitzenden gesteckt haben.
Es geht hier möglicherweise der Arbeitgeberin weniger darum, Recht und Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, sondern schlicht darum, den Betriebsratsvorsitzenden loszuwerden. Ständiges Bremsen und Hinauszögern soll das Betriebsratsgremium demotivieren.
Gerade in solchen Situationen ist es notwendig, dass der Betriebsrat besonnen bleibt und sich immer genau juristisch beraten lässt. Ein „beweissicheres“ Übermitteln der Schriftstücke ohne Nutzung des Arbeitgeberstempels wäre sicher möglich gewesen, notfalls mit Gerichtsvollzieher.
Wie man Schriftstücke rechtssicher und beweisbar zustellen kann, habe ich hier beschrieben:
(eingestellt am 08.09.2023)