Tipps und Urteile

Während eines laufenden gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens kann eine Ausschreibung von Arbeitsplätzen im Sinne von § 93 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) grundsätzlich nicht nachgeholt werden. (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11.10.2022, Aktenzeichen 1 ABR 16/21)
In dem Betrieb, um den es in diesem Verfahren ging, hatte es eine Betriebsvereinbarung über die Ausschreibung von Stellen gegeben. Diese hatte die Arbeitgeberin bereits im Mai 2013 gekündigt.
Mit Schreiben vom 14.05.2018 gab die Arbeitgeberin dem Betriebsrat bekannt, dass sie die Versetzung von 12 Arbeitnehmern beabsichtige und dass sie beabsichtige, die Versetzungen vorläufig durchzuführen. Der Betriebsrat bestritt schon am Folgetag die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Maßnahme. Er verweigerte mit Schreiben vom 22.05.2018 seine Zustimmung zu den beabsichtigten Versetzungen. Dabei machte er insbesondere geltend, dass keine Ausschreibung gemäß § 93 BetrVG stattgefunden habe.

Die Arbeitgeberin holte im Zeitraum vom 11. April bis zum 07.05.2019 – also während das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Köln noch lief – die internen Stellenausschreibungen vorsorglich nach. Sie unterrichtete den Betriebsrat darüber und bat erneut um Zustimmung des Betriebsrats. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung ein weiteres Mal.

Das Bundesarbeitsgericht stellte zunächst fest, dass die Kündigung der Betriebsvereinbarung das Ausschreibungsverlangen des Betriebsrats nicht beseitigt hat. Denn in dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien liegt, so das Bundesarbeitsgericht, immer auch ein Verlangen des Betriebsrats im Sinne von § 93 Betriebsverfassungsgesetz.

Da ein solches Verlangen also vorlag, war die Arbeitgeberin auch verpflichtet, die Stellen betriebsintern auszuschreiben. Die entscheidende Frage dieses Rechtsstreits war, ob die Ausschreibung vor der Mitteilung der Entscheidung an den Betriebsrat erfolgen musste oder ob die nachträgliche Ausschreibung während des laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens noch möglich war.
Dass die Arbeitgeberin die Ausschreibung vornehmen musste, bevor sie dem Betriebsrat ihre Entscheidung über die Stellenbesetzung mitteilte, leitet das Bundesarbeitsgericht aus Sinn und Zweck von § 93 BetrVG her. Sinn der Vorschrift ist es, so das Bundesarbeitsgericht, „den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren“. Dies Ziel könne nicht erreicht werden, wenn die Arbeitgeberin durch die Mitteilung der Besetzung an den Betriebsrat den Arbeitnehmern des Betriebes vermittle, dass seine Entscheidung bereits gefallen sei. Unter diesen Umständen könne es sein, dass die Arbeitnehmer sich bei einer nachgeholten Ausschreibung nicht bewerben würden, weil sie in einer Bewerbung keine Erfolgsaussicht sehen würden.
Das Bundesarbeitsgericht hat demgemäß die Zustimmung zu den Versetzungen nicht ersetzt.

Bewertung:
Mit seiner Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht § 93 BetrVG entscheidend gestärkt. Wäre ein Ausschreibungsverlangen auch nach Einleitung des Anhörungsverfahrens gemäß § 99 BetrVG möglich, würde aus § 93 BetrVG eine sinnentleerte Formvorschrift werden.

Ein weiteres interessantes Urteil zum Ausschreibungsverlangen des Betriebsrats gemäß § 93 BetrVG finden Sie hier:

https://www.anwalt-fuer-arbeitsrecht-bremen.de/tipps-und-urteile/tipps-und-urteile-zum-arbeitsrecht-2022/verlangen-des-betriebsrats-stellen-innerbetrieblich-auszuschreiben-muss-geltend-gemacht-werden

(eingestellt am 21.04.2023)