Tipps und Urteile

Wenn vom Arbeitgeber unberechtigt das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers mit Minusstunden belastet wird, unterliegt der diesbezügliche Einwand des Arbeitnehmers dagegen keinen Ausschlussfristen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.01.2011, Aktenzeichen 5 AZR 819/09)
Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers mit Minusstunden belastet. Der einschlägige Tarifvertrag, auf den der Arbeitgeber sich dafür berufen wollte, enthielt aber tatsächlich keine Befugnis des Arbeitgebers, Minusstunden in das Arbeitszeitkonto zu buchen. Der Arbeitgeber hatte dem Kläger monatliche Abrechnungen über den Stand seines Arbeitszeitkontos erteilt. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses wies das Arbeitszeitkonto ein Minussaldo von 217,88 Stunden aus.
Nachdem das Arbeitsverhältnis geendet hatte, verrechnete der Arbeitgeber den letzten Monatslohn mit Minusstunden. Der Arbeitnehmer machte die Stunden, die sich über mehr als ein Jahr aufgebaut hatten, in einer Klage geltend. Er trug vor, der Arbeitgeber habe ihm keine Arbeit angeboten, um die Minusstunden überhaupt abbauen zu können.
Der Arbeitgeber berief sich auf verschiedene Einwände. Hier beleuchtete ich insbesondere der Einwand des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe gegen die monatlichen Mitteilungen über den Stand des Arbeitszeitkontos keine Einwendungen erhoben. Daher würde hier die tarifliche Verfallfrist gelten.
Das Bundesarbeitsgericht folgte dieser Ansicht nicht. Sinngemäß führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass der Arbeitgeber mit der Einstellung von Minusstunden auf das Arbeitszeitkonto und Mitteilung an den Arbeitnehmer einen Anspruch auf Rückzahlung bereits gezahlter Vergütung erhebt.
Der Arbeitnehmer erkenne gegenüber dem Arbeitgeber nichts an, wenn er hierauf einfach schweige. Er unterlasse einfach einen Einwand gegen einen vom Arbeitgeber erhobenen Anspruch auf Rückzahlung. Dieser Sachverhalt, so das Bundesarbeitsgericht, entspreche nicht dem Sachverhalt, dass ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber begehrt, vom Arbeitnehmer geleistete Arbeitsstunden als Gutschrift in das Arbeitszeitkonto zu buchen. Denn solche geleisteten Stunden würden der Sache nach einem Anspruch auf Zahlung entsprechen.

Bewertung / Tipp:
Auf den 1. Blick habe auch ich geglaubt, ein Arbeitnehmer müsste unberechtigt in das Arbeitszeitkonto eingestellte Minusstunden geltend machen, sonst würden sie arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Verfallfristen unterliegen. Das Bundesarbeitsgericht hat deutlich herausgearbeitet, dass mit der Einstellung der Minusstunden der Arbeitgeber nur einen Rückzahlungsanspruch für von ihm schon bezahlte Stunden geltend macht. Aus Arbeitnehmersicht geht es also noch nicht um einen geldlichen Anspruch, sondern nur um eine Mitteilung des Arbeitgebers.

Zur Vermeidung von Missverständnissen sei gesagt: wenn der Arbeitgeber die volle Monatsvergütung bezahlt, aber unberechtigt, also durch Tarifvertrag und Arbeitsvertrag nicht legitimierte Minusstunden in das Arbeitszeitkonto einstellt, dann gelten keine Verfallfristen.
Wenn der Arbeitnehmer Mehrarbeitsstunden leistet, der Arbeitgeber diese aber unberechtigterweise nicht als Plusstunden in das Arbeitszeitkonto bucht, dann müssen diese Stunden innerhalb der tariflichen oder arbeitsvertraglichen Verfallfristen geltend gemacht werden.

Grundlegende Erläuterungen und Tipps zu Verfallfristen finden Sie hier: 
https://www.anwalt-fuer-arbeitsrecht-bremen.de/tipps-und-urteile/2017/auschlussklauseln-in-arbeitsvertraegen
(eingestellt am 15.03.2023)