Tipps und Urteile 2017

Ausschlussklauseln, Verfallklauseln, Ausschlussfristen, Verfallfristen in Arbeitsverträgen, rechtzeitige Geltendmachung – gesetzliche Neuregelung in § 309 Nummer 13 BGB seit 01.10.2016 

Für Rechtsanwälte für Arbeitsrecht, die Arbeitnehmer vertreten, sind das Gruselworte, für Arbeitnehmer spätestens, wenn sie beim Rechtsanwalt für Arbeitsrecht sitzen. Die Begriffe bezeichnen alle denselben Sachverhalt. Viele Zahlungsansprüche von Arbeitnehmern sind schon daran gescheitert. Es lohnt sich also, sich näher mit dem Thema zu befassen. Bei Beratungsgesprächen, in denen es um Forderungen von Mandanten gegen ihre Arbeitgeber geht, kontrolliere ich immer als erstes die Ausschlussklauseln.

Ausschlussklauseln (auch Verfallklausen gennannt) findet man in der Regel gegen Ende eines Arbeitsvertragsformulars. Ausschlussklauseln werden folgendermassen und ähnlich formuliert:
„Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die damit in Verbindung stehen, müssen gegenüber der anderen Vertragspartei innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Wenn sie nicht rechtzeitig innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht werden, verfallen sie.“

Für solche Klauseln gilt seit dem 01.10.2016 der § 309 Nummer 13 BGB. Danach darf eine strengere Form als die Textform für die Geltendmachung von Ansprüchen in Arbeitsvertragsformularen nicht mehr vereinbart werden.
Folge: Die oben wiedergegebene Klausel in einem Formulararbeitsvertrag ist seit dem 01.10.2016 nicht mehr zulässig. Sie ist unwirksam, weil sie eine strengere Form als die Textform verlangt, nämlich die Schriftform. Für arbeitsvertragliche Ansprüche gilt, wenn nach dem 30.09.2016 eine solche unwirksame Klausel vereinbart worden ist, eine Verjährungsfrist von 3 Jahren (§§ 195, 199 BGB).

Die gesetzliche Änderung ist ab dem 01.10.2016 in Kraft getreten. Für ältere Arbeitsverträge gilt sie nicht. Man muss aber beachten: Wenn ältere Arbeitsverträge abgeändert werden in einer Weise, die darauf schließen lässt, dass bei Abänderung einzelner Klauseln des Arbeitsvertrags auch alle anderen Klauseln anlässlich der Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht worden sind, behandelt das Bundesarbeitsgericht einen solchen Sachverhalt wie einen Neuvertrag (BAG, Urteil vom 13.05.2015, Aktenzeichen 4 AZR 244/14).

Aber aufpassen: Die gesetzliche Änderung gilt für Arbeitsvertragsformulare, nicht für Tarifverträge!
Und: Gemeint sind Vertragsformulare, die für eine Vielzahl von Vertragsabschlüssen geeignet sind und von der einen Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages gestellt werden (§ 305 Abs. 1 BGB). Der Lebenserfahrung nach ist das in aller Regel bei Arbeitsverträgen so.

§ 309 Nummer 13 BGB ist ursprünglich vom Gesetzgeber eingeführt worden, um Verbraucher bei Onlinegeschäften besser zu schützen. Die Auswirkung der Norm auf das Arbeitsrecht wurde weder im Gesetzgebungsverfahren noch in den Gesetzesbegründungen diskutiert. Erst neuerdings ist die Norm von den Arbeitsrechtlern bemerkt worden und es hat eine Diskussion in der arbeitsrechtlichen Literatur dazu begonnen.

Arbeitgeber, die Forderungen gegen Arbeitnehmer geltend machen wollen, müssen aber Ausschlussfristen beachten, auch wenn die Klausel unwirksam ist, denn die gesetzliche Kontrolle dient, wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung betont, nicht dem Schutz des Arbeitgebers vor von ihm selbst eingeführten Formularklauseln (BAG, Urteil vom 27.10.2005, Aktenzeichen A AZR 3/05).

Schriftform bedeutet, dass ein Schriftstück erstellt werden muss, dass von dem Verfasser eigenhändig mit einer Unterschrift versehen worden ist (§ 126 Abs. 1 BGB).
Textform hingegen bedeutet, dass eine Textnachricht, die abgespeichert werden kann, ausreicht. Zum Beispiel eine E-Mail oder eine WhatsApp-Nachricht (§ 126 b BGB)

Tipp 1:
Wer also in einem Formular-Arbeitsvertrag, der nach dem 30.09.2016 abgeschlossen wurde, eine Verfallklausel findet, die eine schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen fordert, sollte näher prüfen lassen, ob Ansprüche auch für zeitlich weiter zurückliegende Zeiträume bestehen.
Ebenso, wer nach dem 30.09.2016 eine Änderung zu einem Formular-Arbeitsvertrag erhalten hat.

Tipp 2:
Auch wenn die Geltendmachung in Textform zulässig ist, empfehle ich, ein Schriftstück zu verfassen, das der Arbeitgeberseite so übermittelt wird, dass man einen Beweis für die Übermittlung hat. Zum Beispiel ein Einschreiben mit Rückschein.

(eingestellt am 06.03.2017)