Tipps und Urteile

Schmiergeldzahlungen an Vertragspartner des Arbeitgebers im vermeintlichen Interesse des Arbeitgebers: Kündigung in diesem besonderen Fall unwirksam. (Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 11.05.2022, Aktenzeichen 5 Ca 1360/21)
Es ging hier um eine Lieferung von 2 Motoren und weiterer Teile mit 2 Transporten. Der Kläger war bei der Beklagten als „Senior Shipping Manager“ seit dem 01.04.2018 beschäftigt.
Die mit dem Transport beauftragte Spedition teilte ihm per E-Mail mit, es gebe im Hafen P. ein mögliches Problem mit den Gewichten der Sendungen. Diese müssten weiter überprüft werden. Dadurch würde die Sendung verzögert werden. Außerdem würden dadurch Standgebühren für 2 Lkw für die Dauer der Verzögerung anfallen. Die Spedition könne die Angelegenheit „auf dem kleinen Dienstweg“ regeln, wenn der Kläger die Zahlung von 3000,00 € bestätige. Das tat der Kläger auch. Gleichzeitig meldete er den Vorfall bei seinem Vorgesetzten.
Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt. Der Kläger erhob eine Kündigungsschutzklage. Daraufhin beschäftigte die Arbeitgeberin ihn nach Ende der Kündigungsfrist für die Dauer des Kündigungsschutzrechtsstreits weiter. Sie übergab ihm aber nach dem Vorfall andere Aufgaben.

Das Arbeitsgericht Augsburg erklärte die Kündigung für wirksam. Auf die Berufung des Klägers sah das Landesarbeitsgericht München den Sachverhalt differenzierter und erklärte die Kündigung für unwirksam.
Es sah in der Bestätigung der Rechnung der Spedition zwar eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger selbst seinen Vorgesetzten informiert hatte und die Intention des Klägers auch gewesen war, von der Arbeitgeberin weitergehenden Schaden in Form möglicher Vertragsstrafen und sonstiger höherer Kosten abzuwenden, hielt das Landesarbeitsgericht die Ahndung des Fehlverhaltens des Klägers mit einer Abmahnung für ausreichend und erforderlich.
Das Landesarbeitsgericht führte aus, dass eine Abmahnung nur in 2 Fällen unterbleiben kann: erstens, wenn sicher zu erwarten ist, dass die Abmahnung nicht zu einer Änderung des Verhaltens des Arbeitnehmers führen würde und zweitens, wenn die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass der Arbeitgeberin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gewesen ist.
Das Gericht sah die Pflichtverletzung aus dem Grund nicht als so schwerwiegend an, dass eine Abmahnung nicht erforderlich war, weil der Kläger die Vorstellung gehabt hatte, die Arbeitgeberin vor weiterem hohen Schaden zu schützen.

Das Gericht wertete weiter zugunsten des Klägers, dass die Arbeitgeberin die Kündigung erst ca. 9 Monate, nachdem sie den Sachverhalt ausermittelt hatte, ausgesprochen hatte. Die eigenen Ermittlungen der Arbeitgeberin zum Sachverhalt hatte diese im September 2020 abgeschlossen. Sie hatte dann erst im März 2021 den Kläger noch einmal zum Sachverhalt angehört und dann noch einmal 3 Monate bis zum Juli 2021 gewartet, um mit der Anhörung des Betriebsrats die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einzuleiten. Während dieser Zeit hat die Arbeitgeberin den Kläger im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses weiterbeschäftigt. „Sie hat dabei zu erkennen gegeben, dass es ihr anscheinend durchaus zumutbar war, über Monate hinweg, also nicht nur für die Kündigungsfrist oder einen kurzen Zeitraum darüber hinaus, die Arbeitskraft des Klägers entgegenzunehmen.“ Somit betrachtete das Gericht die Behauptung der Beklagten, es sei ihr nicht zumutbar, den Kläger weiter zu beschäftigen, als widerlegt.

Und durch die Weiterbeschäftigung des Klägers habe sich auch gezeigt, dass es eine der Arbeitgeberin zumutbare Alternative zur fristlosen Kündigung gegeben habe.

Bewertung / Tipp:
Das ist eine Entscheidung mit dem nötigen Augenmaß für die Besonderheiten dieses Einzelfalls.
Sie zeigt auch, wie leicht man mit den besten Absichten ausgestattet trotzdem in Korruptionsfälle hineinschlittern kann. Ich kann Ihnen da nur zu ganz gesteigerter Wachsamkeit raten.

Einen besonders unschönen Teilaspekt dieses Falls möchte ich nicht einfach übergehen: der Kläger dieses Verfahrens hatte sich gegenüber einer Kollegin im MS-Teams-Chat so geäußert: „Das sind Zigeuner im Hafen … Aber so bekommen wir das zeitgleich wieder auf den Weg...“
Erst- und zweitinstanzliches Gericht haben diese Äußerung als Beleg dafür gewürdigt, dass der Kläger begriffen hatte, dass hier ein Korruptionssachverhalt vorlag.
Wie leichtfertig hier diese rassistische und schwer diskriminierende Bezeichnung vom Kläger verwendet wurde, das ist schon ein Hammer. Er kann sich freuen, dass dieser Sprachgebrauch nicht Gegenstand von Kündigungsüberlegungen geworden ist.
(eingestellt am 22.08.2022)