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Ist es ein Verschulden eines Arbeitnehmers gegen sich selbst, wenn er sich nicht gegen Corona impfen lässt? Ist ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in so einem Fall ausgeschlossen? (Arbeitsgericht Detmold, Urteil vom 07.09.2022, Aktenzeichen 2 Ca 324/22)
Der Kläger im vorliegenden Fall machte Entgeltfortzahlung gegen die Arbeitgeberin und Beklagte für 8 Tage im Januar 2022 geltend. Von der Arbeitgeberin wurde eingewandt, es liege ein Verschulden des Klägers gegen sich selbst im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz vor.
Das Arbeitsgericht Detmold folgte dieser Auffassung nicht und verurteilte die Arbeitgeberin zu Entgeltfortzahlung. Der wesentliche Gesichtspunkt für das Arbeitsgericht Detmold war, dass nach den Ausführungen des Robert-Koch-Instituts auf dessen Homepage am 07.06.2022 die COVID-19-Impfung eine Infektion mit dem Corona-Virus nicht zu 100 % verhindern könne, auch die Auffrischungsimpfung nur einen begrenzten Zeitraum gut vor der Infektion schütze und dass es gehäuft zu sogenannten Impfdurchbrüchen gekommen sei. Die Impfungen würden vor allem schwere Erkrankungen und Todesfälle verhindern. Das Gericht sah es daher nicht als nachgewiesen an, dass allein die Nichtvornahme der Impfung zu der Infektion und somit der Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Auch mit Impfung hätte der Kläger erkranken können. Das Gericht konnte daher ein Verschulden des Klägers an seiner Erkrankung nicht feststellen.
Das Arbeitsgericht kritisierte aber auch: „Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass die Impfung nicht allein dem eigenen Interesse am Erhalt der eigenen Gesundheit des Klägers dient, sondern daneben auch dem gesamtgesellschaftlichen Anliegen der Pandemiebekämpfung und dass der Kläger genau definierte Verhaltensempfehlungen der STIKO und des RKI im gesamtgesellschaftlichen Interesse missachtet hat. Es ist aber nicht Aufgabe des Gerichts, sondern Aufgabe des Gesetzgebers, tätig zu werden (…).“

Bewertung:
Das Gericht hat § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes zutreffend ausgelegt.

Ich halte es ebenso wie das Gericht für zutreffend, dass ein gesamtgesellschaftliches Interesse daran besteht, dass möglichst viele Menschen sich gegen das Corona-Virus impfen lassen. Da in äußerst seltenen Fällen aber wohl auch Impfschäden eintreten können, muss man die die Entscheidung dem Gewissen des Einzelnen überlassen.
(eingestellt am 07.11.2022)