Tipps und Urteile

Was passiert mit Betriebsvereinbarungen, wenn in einem Betrieb kein neuer Betriebsrat gewählt wird? Gelten diese dann weiter? Können sie vom Arbeitgeber gekündigt werden? An wen ist die Kündigung zu richten? (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.09.2002, Aktenzeichen 1 ABR 54/01)
In der Regel beschäftige ich mich in meiner Urteilssammlung mit aktuellen Fällen. Hier beschäftige ich mich mit einer etwas älteren Entscheidung, die aber doch von aktueller Bedeutung ist, weil dieses Jahr ein Betriebsratswahljahr gewesen ist.
Als ich mich mit diesen Fragen kürzlich im Rahmen einer Beratung konfrontiert sah, musste ich feststellen, dass eine Antwort in der Literatur gar nicht so einfach zu finden ist.

Das Grundprinzip der Amtszeit eines Betriebsrats ist: wenn ein Betriebsrat im Betrieb bereits besteht, sind alle 4 Jahre in der Zeit vom 1. März bis zum 31. Mai Betriebsratswahlen durchzuführen (§ 13 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Die Amtszeit eines Betriebsrats endet spätestens am 31. Mai des Jahres, in dem die regelmäßigen Betriebsratswahlen stattfinden, § 21 Satz 3 BetrVG. (Zeitliche Variationen der gesetzlichen Regelung bestehen für die Fälle, dass die Anzahl der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer stark gestiegen oder gesunken ist, die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die gesetzlich vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder gesunken ist, der Betriebsrat seinen Rücktritt wirksam beschlossen hat, die Betriebsratswahl wirksam angefochten wurde, der Betriebsrat durch gerichtliche Entscheidung aufgelöst ist oder in dem Betrieb bisher kein Betriebsrat bestanden hat und neu gewählt wird, § 13 Abs. 2 BetrVG, § 21 Satz 4 und Satz 5 BetrVG.)
Dieses Jahr war ein Betriebsrats-Wahljahr. Wurde in Ihrem Betrieb kein Betriebsrat neu gewählt und hat es keine der oben erwähnten zeitlichen Variationen gegeben, so endete dessen Amtszeit am 13.05.2022.
Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden (§ 77 Abs. 5 BetrVG). Da sie vom Betriebsrat und vom Arbeitgeber gemeinsam beschlossen werden (§ 77 Abs. 2 BetrVG) ist eine Kündigung der Betriebsvereinbarung von Seiten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auszusprechen.

Aber wem gegenüber kann eine Kündigung von Betriebsvereinbarungen ausgesprochen werden, wenn ein Betriebsrat nicht mehr existiert? Ist dann vielleicht eine Kündigung der Betriebsvereinbarungen gar nicht mehr möglich?
Das Bundesarbeitsgericht hat zu diesen Fragen in seiner Entscheidung, deren Hauptthema die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang war, kurz Stellung genommen. Grundsätzlich, so das Bundesarbeitsgericht, lässt der „vorübergehende oder endgültige Wegfall des Betriebsrats (…) die bestehenden Betriebsvereinbarungen in ihrer normativen Wirkung unberührt (…).“ Dann, so das Bundesarbeitsgericht gibt es „allerdings kein handlungsfähiges Betriebsverfassungsorgan mehr, sodass eine inhaltliche Änderung der Betriebsvereinbarung nicht infrage kommt. Der Arbeitgeber kann ihre Wirkung jedoch dadurch beenden, dass er einheitlich gegenüber allen betroffenen Arbeitnehmern des Betriebs die Kündigung der Betriebsvereinbarung erklärt.“ (BAG a.a. O., Juris Rn 47)

Nun, ich hoffe, dass Sie sich diese Fragen aktuell nicht stellen müssen, weil in ihrem Betrieb ein Betriebsrat gewählt worden ist, denn bekanntermaßen sind mit der Existenz von Betriebsräten in einem Betrieb zahlreiche Vorteile für die Arbeitnehmer verbunden.
(eingestellt am 22.07.2022)