Tipps und Urteile

Beschäftigungsverbote für Ungeimpfte? - Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem 15.03.2022 in Kranken- und Pflegeeinrichtungen im Sinne von § 20 a Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) beschäftigt waren, die ihrem Arbeitgeber keinen Impf- oder Genesenenachweis vorlegen, besteht kein Beschäftigungsverbot. Beschäftigt der Arbeitgeber sie nicht, haben diese Arbeitnehmer einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn. (Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 18.05.2022, Aktenzeichen 2 Ca2082/21)
Es ging hier um einen Kündigungsfall. Ein Auszubildender war seit dem 01.10.2019 in einem Krankenhaus beschäftigt. Der Arbeitgeber warf ihm verschiedene Verfehlungen im Hinblick auf das Tragen einer FFP-2-Maske vor, die ich hier nicht weiter schildere. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Auszubildende erhob eine Klage gegen die Kündigung. Mit der Klage machte er außerdem Vergütung für die Monate Januar bis April 2022 geltend.Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erteilt hatte.

Interessant ist hier weniger der Kündigungssachverhalt als vielmehr die Begründung, mit der das Gericht dem Auszubildenden die Vergütung aus Annahmeverzug zugesprochen hat.
Der Arbeitgeber hatte gegen den Zahlungsanspruch unter anderem eingewandt, dass der Arbeitnehmer seit dem 15.03.2022 keinen Anspruch auf Verzugsvergütung geltend machen könne, denn nach der einschlägigen Regelung in § 20a IfSG sei eine Impfung Voraussetzung für die Beschäftigung des Arbeitnehmers.
Für die Verzugsvergütungsansprüche des Auszubildenden ab dem 15.03.2022 musste das Gericht sich daher mit der Frage auseinandersetzen, ob die Nichtvorlage eines Impf- und Genesenennachweises zu einem Beschäftigungs- oder Tätigkeitsverbot des Klägers in der Einrichtung des Arbeitgebers führt. Diese Frage hat das Gericht verneint – aus der Nichtvorlage solcher Nachweise folgt also kein Beschäftigungs- oder Tätigkeitsverbot.
Diese Auslegung leitete das Gericht daraus her, dass §20a IfSG Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbote für Arbeitnehmer, die nach dem 15.03.2022 tätig werden sollen, ausdrücklich vorsieht. Eine solche Regelung besteht für Arbeitnehmer, die vor dem 15.03.2022 beschäftigt waren, nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht. Für die vor dem 15.03.2022 beschäftigten Arbeitnehmer sieht das Gesetz lediglich vor, dass der Arbeitgeber das zuständige Gesundheitsamt darüber informieren muss und dem Gesundheitsamt die personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers übermitteln muss. Das Gesundheitsamt kann die betroffenen Personen auffordern, einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen. Legt ein Betroffener innerhalb einer angemessenen Frist keinen Nachweis vor, kann das Gesundheitsamt nach Einzelfallprüfung ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot erlassen.

Bewertung / Tipp:
Dies ist – soweit ersichtlich – die erste Gerichtsentscheidung zu dieser Frage. Das Gericht hat seine Entscheidung sehr sorgfältig und nachvollziehbar begründet.

Laut einem Artikel im Bremer „Weser-Kurier“ vom 12.07.2022 („Bremen verzichtet vorerst auf Tätigkeitsverbote“) habe das Gesundheitsressort zunächst Anfang Juli 2022 beabsichtigt, die ersten Tätigkeitsverbote an Beschäftigte im Gesundheitswesen zu versenden. Wegen der angespannten Personalsituation in den Kliniken und zur besseren rechtlichen Absicherung der Verfahren wolle man jetzt aber doch jeden Einzelfall noch intensiv prüfen. Die Arbeitgeber würden in Schreiben der Gesundheitsämter aufgefordert, die Konsequenzen zu schildern, die ein Ausscheiden der ungeimpften Arbeitnehmer aus ihrem Betrieb habe. Der Sprecher des Gesundheitsressorts Herr Fuhrmann wird zitiert: „Ein Tätigkeitsverbot ist ein sehr großer Grundrechtseingriff, bei dem es um die freie Berufswahl geht. So etwas muss verhältnismäßig und rechtlich sauber sein, bevor wir es auf den Weg bringen.“ Es wird auch über eine ähnliche Haltung im Land Niedersachsen zu Beschäftigungs- und Tätigkeitsverboten berichtet.

Nach Einschätzung des Weser-Kurier erscheint es fraglich, ob im Zuge der neuen Verfahrensweise überhaupt noch Tätigkeitsverbote ausgesprochen werden, da die gesetzliche Regelung dazu am 31.12.2022 ausläuft.
(eingesteltt am 15.07.2022)