Tipps und Urteile

Arbeitgeber können Fortbildungskosten von Arbeitnehmern nicht zurückverlangen, wenn der Fortbildungsvertrag unverschuldete Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht berücksichtigt. Die Formulierung im Vertrag ist entscheidend. Es kommt nicht darauf an, ob im konkreten Fall tatsächlich Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers vorlag. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.03.2022, Az. 9 AZR 260/21)
Die Klägerin dieses Verfahrens war in einer Reha-Klinik als Altenpflegerin angestellt gewesen. Sie hatte an 18 Tagen an einer Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICLW“ teilgenommen. Die Arbeitgeberin hatte die Kursgebühren übernommen und die Arbeitnehmerin für die Dauer der Fortbildung bezahlt freigestellt. Nach dem Fortbildungsvertrag, der mit einem Vertragsformular abgeschlossen worden war, verpflichtete die Arbeitnehmerin sich, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung mindestens 6 Monate lang fortzusetzen. Das tat die Arbeitnehmerin dann aber nicht, sondern kündigte schon kurz nach Beendigung der Fortbildung das Arbeitsverhältnis.
Dementsprechend machte die Arbeitgeberin bei der Arbeitnehmerin mit einer Klage 2726,68 € Fortbildungskosten geltend.

Der Formular-Fortbildungsvertrag bestimmte eine Rückzahlungsverpflichtung für die Arbeitnehmerin in folgenden Fällen:

  • von der Arbeitnehmerin veranlasster Aufhebungsvertrag
  • verhaltensbedingte ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers,
  • von der Arbeitnehmerin erklärte Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus einem nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund.

Auf die letztgenannte Variante stützte die Arbeitgeberin ihre Forderung.

Das Bundesarbeitsgericht vermisste eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis kündigt, weil sie unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag des Arbeitgebers aus in ihrer Person liegenden Gründen dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die Qualifikation, die sie durch die Weiterbildung erworben hat, im Rahmen der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung zu nutzen (in der Regel werden das Krankheitsfälle sein, R.-C. B) und deshalb personenbedingt das Arbeitsverhältnis kündigt. Die Klage der Arbeitgeberin wurde deshalb abgewiesen.

Bewertung / Tipp:
Grundsätzlich geht die Rechtsprechung, worauf das Bundesarbeitsgericht auch in diesem Fall wieder hingewiesen hat, davon aus, dass im Falle der Finanzierung einer Fortbildung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber in Fortbildungsvertragsformularen ein angemessener Ausgleich zwischen den beiderseitigen Interessen erfolgen muss. Also müssen das Interesse des Arbeitgebers, eine von ihm finanzierte Ausbildung möglichst lange für seinen Geschäftsbetrieb nutzbar zu machen und das Interesse des Arbeitnehmers an freier Wahl des Arbeitsplatzes, das durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz geschützt ist, in ein angemessenes Verhältnis zueinander gebracht werden.

Nehmen wir an, die Arbeitnehmerin wäre aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, die geschuldete Arbeitsleistung weiter zu erbringen. Dann wäre auch – nach der 6-wöchigen Entgeltfortzahlung – die Entgeltfortzahlungsverpflichtung der Arbeitgeberin aufgehoben. Die getroffene vertragliche Regelung würde dazu führen, dass die Arbeitnehmerin, um die Rückzahlungsverpflichtung zu vermeiden, trotzdem bis zum Ende der Bindungsfrist an dem Arbeitsvertrag festhalten müsste. Hier sah – meines Erachtens zu Recht – das Bundesarbeitsgericht keinen angemessenen Ausgleich zwischen den wechselseitigen Interessen. Es sah einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Wichtig: Eine Rückzahlungsklausel wie die hier erörterte ist immer unwirksam, unabhängig davon, ob eine Kündigung der Arbeitnehmerin tatsächlich wegen unverschuldeter personenbedingter Gründe erfolgt. Sie ist auch unwirksam in Fällen, in denen die Kündigung aus anderen Gründen erfolgt!
Die Rückzahlungsklausel ist in solchen Fällen unwirksam, unabhängig davon, ob im konkreten Fall tatsächlich die Kündigung der Arbeitnehmerin durch personenbedingte Gründe veranlasst wurde. Allein, wenn die Rückzahlungsklausel unverschuldete personenbedingte Gründe nicht als Grund aufführt, die Rückzahlungsverpflichtung aufzuheben, ist die Klausel unwirksam!

In Zukunft werden die Arbeitgeber ihre Fortbildungsverträge mit Sicherheit an diese Rechtsprechung anpassen. Sollten Sie aber einen Fortbildungsvertrag noch vor Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abgeschlossen haben, könnte es sich lohnen, Ihren Fortbildungsvertrag einmal anwaltlich überprüfen zu lassen.

Tipp speziell zu Rückzahlungsklauseln in Studien- und Praxisverträgen im dualen Studium:
Diese Entscheidung hat auch Relevanz für sogenannte Studien- und Praxisverträge, wie sie in dualen Studiengängen üblich sind. Die Unternehmen, die Studenten fördern und sich gleichzeitig gut ausgebildete Nachwuchskräfte sichern wollen, fördern diese mit Darlehen. Im Gegenzug verpflichten sich die Studierenden, nach erfolgreicher Beendigung des Studiums ein angemessenes (oder zumutbares o. ä.) Vertragsangebot des Arbeitgebers auf Abschluss eines Arbeitsvertrags anzunehmen.

Sollten Sie von Ihrem „Fördererunternehmen“ nach Beendigung Ihres Studiums kein Angebot erhalten, das Ihnen angemessen erscheint, dürfte es sich lohnen, die Rückzahlungsklausel in Ihrem Studien- und Praxisvertrag einmal anwaltlich überprüfen zu lassen.
(eingestellt am 08.06.2022)