Tipps und Urteile

Der Betriebsrat muss nicht den kostengünstigsten Seminaranbieter ermitteln und für seine Schulungsveranstaltung auswählen. Bei der Auswahl von Fortbildungsseminaren hat er einen Beurteilungsspielraum. (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.05.2020, Aktenzeichen 7 TaBV 11/19)
Die Geschichte spielte zwischen einem im November 2018 neu gewählten, siebenköpfigen Betriebsrat und einer Arbeitgeberin, die Möbelhäuser betreibt.
Der Betriebsrat beschloss am 14.02.2019 die Teilnahme aller damaligen Mitglieder an der 3,5-tägigen Betriebsratsschulung des Anbieters G.. Thema: „Betriebsverfassungsrecht I“.
Diesen Beschluss teilte der Betriebsrat dem Arbeitgeber mit Schreiben vom 14.02.2019 mit und fügte einen Themenplan und eine Kostenaufstellung bei. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 20.02.2019 mit, dass sie der Teilnahme an dem Seminar nicht zustimme und die Kosten nicht übernehmen werde. Sie fügte das Angebot eines anderen Seminaranbieters bei. Hier waren 4819,50 € für ein 3-Tages-Seminar berechnet. Das Seminar sollte in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin stattfinden.
Das vom Betriebsrat favorisierte Seminar sollte hingegen 6583,06 € kosten und außerhalb der Firmenräume stattfinden. Der vorgenannte Preis enthielt Übernachtungskosten und Tagungspauschalen.

Der Betriebsrat leitete ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern ein. Er beantragte sinngemäß, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Kosten des Seminars zu übernehmen. Nachfolgende Vorteile sah der Betriebsrat in dem von ihm ausgewählten Seminar:
Er argumentierte damit, dass bei einem Seminar in den Firmenräumen nicht davon auszugehen sei, dass der Betriebsrat ungestört bleibe. Es bestehe die Gefahr, dass die Teilnehmer durch Telefonanrufe gestört werden würden. Außerdem würde es in dem vom Betriebsrat ausgewählten Seminar verschiedene Referenten geben, die Richter oder Rechtsanwälte seien -und nicht nur einen Referenten, wie in dem vom Arbeitgeber gewünschten Seminar. Auch sei ein Besuch eines Verhandlungstags beim Arbeitsgericht vorgesehen. Schließlich sei im Rahmen des Seminars auch ein Austausch mit anderen Seminarteilnehmern von anderen Firmen möglich.

Die Arbeitgeberin berief sich darauf, dass das von ihr favorisierte Seminar kostengünstiger sei. Es würden keine Übernachtungskosten entstehen. Weil sie selbst ein Restaurant betreibe, könnten die Verpflegungskosten allenfalls zum Selbstkostenpreis in Ansatz gebracht werden. Es habe dieselben Inhalte. Der Schulungserfolg in Kleingruppen sei höher einzustufen als in einem auch für Betriebsräte aus anderen Firmen offenen Seminar.
Auch der mögliche Erfahrungsaustausch mit anderen Seminarteilnehmern führe nicht zu einer höheren Qualität des vom Betriebsrat ausgewählten Seminar. Ohnehin hätten die Betriebsratsmitglieder keinen Anspruch auf Austausch mit anderen Seminarteilnehmern. Die Konferenzräume der Arbeitgeberin seien zwar mit Telefon ausgestattet. Doch würden alle Betriebsratsmitglieder von der Arbeit freigestellt und Telefonanrufe dürften nicht in den Konferenzraum weitergeleitet werden.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern beschloss wie vom Betriebsrat beantragt. Der Betriebsrat müsste nicht das kostengünstigste Seminar wählen, wenn er ein anderes für qualitativ besser halte. Es komme nicht darauf an, welche Schulung die objektiv bessere sei, sondern darauf, ob der Betriebsrat seinen Beurteilungsspielraum zutreffend wahrgenommen habe. Der Betriebsrat habe seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Dies auch bei Vergleich der Kosten nicht, denn die anderen vom Betriebsrat vorgetragenen Aspekte überzeugten das Gericht schon. Die größere Anzahl von Referenten in dem vom Betriebsrat gewählten Seminar sei ein Vorteil, ebenso der mögliche Erfahrungsaustausch zwischen den Betriebsräten der Möbelkette und Betriebsräten aus anderen Unternehmen. So kam es nach Auffassung des Gerichts auf die Frage, ob in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin ein störungsfreier Verlauf eines Seminars möglich sei, nicht mehr an. 

Die Arbeitgeberin legte Beschwerde beim Landesarbeitsgericht ein. 

Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Landesarbeitsgericht referiert in seiner Entscheidung die Grundsätze, die von der Rechtsprechung für die Auswahl eines Betriebsräteseminars von verschiedenen Gerichten bereits festgestellt wurde.
So muss der Betriebsrat die finanziellen Belastungen, die ein Seminar der Arbeitgeberin verursacht, in Betracht ziehen. Er muss darauf achten, dass die Kosten eines Seminars in angemessenem Verhältnis zum Seminarzweck stehen. Er darf unter verschiedenen konkurrierenden Angeboten auswählen. Er ist nicht verpflichtet, das günstigste Seminar zu ermitteln, sondern darf auch teurere auswählen. Nur wenn 2 Angebote als qualitativ gleichwertig anzusehen seien, könne eine Beschränkung auf das kostengünstigere Angebot in Betracht kommen. Eine erhebliche Preisdifferenz müsse der Betriebsrat mit sachlichen Argumenten begründen können. Er könne seine Entscheidung für oder gegen ein Seminar auch davon abhängig machen, wer der Veranstalter ist.
Ferner kann er ein Seminar deshalb auswählen, weil eine an der Sicht der Arbeitnehmer orientierte Schulung zu erwarten ist.

Das Landesarbeitsgericht bestätigte: Es sah ebenfalls einen Vorteil darin, wenn verschiedene Referenten aus verschiedenen Berufen (Rechtsanwälte und Richter) das Seminar gestalten würden. So würden die Teilnehmer die verschiedenen Sichtweisen auf betriebsverfassungsrechtliche Problematiken kennenlernen. Außerdem verschiedene Wissensvermittlungsmethoden, die den verschiedenen Seminarteilnehmern auch leichter den Zugang zum Lernstoff ermöglichen könnten. Auch der Besuch einer Gerichtsverhandlung sei sehr förderlich. Hier könnten die Teilnehmer besonders nachhaltig lernen, wie wichtig es ist, formale Regelungen beispielsweise bei der Einladung zu Betriebsratssitzungen, der Beauftragung von Bevollmächtigten und der Formulierung von Beschlüssen und Briefen des Betriebsrats, zu beachten.
Und auch der Austausch mit den Betriebsräten anderer Betriebe helfe. So könnten die Teilnehmer auch von den Erfahrungen und gegebenenfalls auch Fehlern anderer Teilnehmer lernen.

Bewertung:
Zu Recht weist mein Rechtsanwaltskollege Herr Sebastian Busch in einem Fachbeitrag zu dieser Entscheidung darauf hin, dass die Kosten, die die Arbeitgeberin für dies Beschlussverfahren aufwenden musste, in etwa noch einmal die Seminarkosten erreicht haben könnten (Busch, jurisPR-ArbR Anmerkung 7, C.) (die Arbeitgeberin muss sämtliche Kosten, also auch diejenigen des Betriebsratsanwalts, tragen).
Da liegt die Vermutung nahe, dass es der Arbeitgeberin mit ihrer eher schwachbrüstigen Argumentation weder um die Seminarkosten noch darum ging, dass sich das Recht hier verwirklichen sollte, sondern vielmehr um eine Demotivierung und Disziplinierung von Betriebsräten (ähnlich Busch, am angegebenen Ort).

Betriebsräte sollten sich bei der Auswahl ihrer Seminare nicht auf diese Weise einschüchtern lassen und erforderlichenfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Sie müssen nicht das billigste Seminar besuchen, sondern dürfen dasjenige besuchen, dass nach ihrer vernünftigen Beurteilung ihren Lernbedürfnissen am gerechtesten wird.
(eingestellt am 31.12.2020)