Tipps und Urteile

Kann eine „Corona-Prämie“ von dem / der Arbeitgeber:in zurückgefordert werden, wenn nach dem Arbeitsvertrag freiwillige Zuwendungen zurückgefordert werden können, falls der / die Mitarbeiter:in innerhalb 12 Monaten nach Gewährung der Zuwendung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet? (Arbeitsgericht Oldenburg, Urteil vom 20.05.2021, Aktenzeichen 6 Ca 141/21)
Ein interessanter Fall im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Der Arbeitnehmer hatte von der Arbeitgeberin eine freiwillige Sonderzahlung erhalten, von ihr als „Corona-Prämie“ bezeichnet. Im Arbeitsvertrag, ein Formulararbeitsvertrag, hieß es, dass der / die Arbeitgeber:in berechtigt sein sollte, eine freiwillige Zuwendung zurückzuverlangen, wenn der/ die Arbeitnehmerin ohne Verschulden des / der Arbeitgeber:in innerhalb von 12 Monaten, „gerechnet nach dem Ausstellungsdatum der Kündigung“ aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden würde.

Der Mitarbeiter hatte in dem vom Arbeitsgericht Oldenburg entschiedenen Fall eine Zahlung in Höhe von 550,00 € erhalten. Die Beklagte hatte in einem Schreiben vom 25.11.2020 den Kläger darauf hingewiesen, dass die Sonderzahlung „einmalig steuerfrei in Bezug auf die Corona-Pandemie“ erfolgt sei. Diese Zahlung forderte die Arbeitgeberin zurück, nachdem der Arbeitnehmer innerhalb des 12-Monats-Zeitraums ausgeschieden war. Die Arbeitgeberin verrechnete die 550,00 € mit der letzten Vergütungszahlung. Der Arbeitnehmer erhielt also 550,00 € weniger. Er erhob eine Klage über diesen Betrag.
Das Arbeitsgericht Oldenburg verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung.Das Arbeitsgericht führte in seinem Urteil gleich 2 Gründe an, warum die von ihr in dem Arbeitsvertragsformular verwendete Klausel nicht wirksam wurde:

  1. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach diesem Paragrafen sind Klauseln in Formularverträgen, die den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, unwirksam.
    Zu der Frage, wie lange Arbeitgeber:innen durch eine solche Klausel in einem Formulararbeitsvertrag eine / n Arbeitnehmer:in verpflichten können, im Fall der Kündigung freiwillige Sonderzahlungen zurückzuleisten, gab es bereits mehrere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Diesen ist zu entnehmen, dass eine Bindung des / der Arbeitnehmer:in länger als 1 Quartal bei Zahlungen, die über 100,00 € aber unter einer Monatsvergütung liegen, unangemessen ist. Da die 550,00 € unter einem Gehalt des Arbeitnehmers lagen, war die Klausel hier nicht anwendbar.
  2. Noch einmal § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wenn es sich bei einer Sonderzahlung um eine Vergütung für geleistete Arbeit handelt, so das Arbeitsgericht Oldenburg, kann diese nicht zurückgefordert werden. Denn dem Arbeitnehmer, der bereits die Arbeitsleistung erbracht hat, die vereinbarte Vergütung wieder zu entziehen, das ist nach Auffassung des Arbeitsgerichts Oldenburg auch unangemessen und verstößt gegen den Grundgedanken von § 611 a BGB (in dem Paragrafen steht unter anderem, dass der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist).

Erläuterung / Bewertung:
Das Urteil bezieht sich auf Formulararbeitsverträge.
Formularverträge sind nach der Rechtsprechung Verträge, die für eine Vielzahl von Vertragsabschlüssen geeignet sind. Als Formular sind nicht nur Vordrucke aus der Druckerei zu betrachten, sondern auch vorgefertigte Dateien in elektronischer Form. Auch ist es nicht notwendig, dass der /die Arbeitgeber:in das Formular mehrfach verwendet hat. Die einmalige Verwendung reicht. Das Formular muss nur „geeignet“ sein, um es für eine Vielzahl von Verträgen zu verwenden.
Diese Voraussetzungen dürften im allgemeinen auf die allermeisten Arbeitsverträge, die derzeit im Umlauf sind, zutreffen.

Dass es sich bei der Sonderzahlung um eine Vergütung für geleistete Arbeit handelte, hat das Arbeitsgericht durch Auslegung ermittelt. Dies sei „aus Sicht eines objektiven Dritten“ so zu verstehen, dass die Beklagte die besonderen Belastungen des Klägers und seiner Kollegen und Kolleginnen besonders anerkennen und finanziell ausgleichen wollte.
Das wiederum war nach Auffassung des Arbeitsgerichts so zu deuten, dass zumindest „auch“ in der Vergangenheit geleistete Arbeit vergütet werden sollte und nicht einfach nur Betriebstreue belohnt werden sollte.
Nach meiner Auffassung eine zutreffende Deutung.

Tipp:
Sollten Sie in Ihrem Arbeitsvertrag Rückzahlungsklauseln finden, so sollten Sie sich über deren Wirksamkeit von mir beraten lassen. Idealerweise sollten Sie das machen, bevor Sie selbst eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklären. So können Sie besser im Vorhinein beurteilen, ob der Ausspruch der Kündigung für Sie wirtschaftlich vertretbar ist. „Heikle“ Rückzahlungsklauseln in Formularverträgen kommen nicht nur in Bezug auf freiwillige Sonderzahlungen vor, sondern auch bezüglich von Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Durchführung von Fortbildungen gewährt hat oder bezüglich zu viel gewährten Urlaubs zum Zeitpunkt des Ausscheidens.