Tipps und Urteile

Eine Drohung einer Arbeitnehmerin, sich arbeitsunfähig krankschreiben zu lassen, wenn eine von ihr gewünschte Schichteinteilung nicht erfolgt, stellt eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis dar. Diese kann die verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Aktenzeichen 5 Sa 319/20)
Die Arbeitnehmerin, Klägerin in dem vorliegenden Verfahren, wurde von ihrer Vorgesetzten zur Spätschicht eingeteilt. Zuvor hatte sie der Vorgesetzten mitgeteilt, dass sie um die Einteilung in die Frühgeschichte bitte. Sie hatte diese Bitte geäußert, weil ihr Kind spätestens um 17:00 Uhr aus dem Kindergarten abgeholt werden musste. Die Spätschicht dauerte aber über 17:00 Uhr hinaus. Allerdings hatte sie der Vorgesetzten die Beweggründe für ihren Wunsch nicht mitgeteilt.
Als die Klägerin am 19.06.2020 den für sie nachteiligen Dienstplan des Monats Juli erhielt, sandte sie ihrer Vorgesetzten eine WhatsApp-Nachricht, mit der sie ankündigte, dass sie in der Woche ab dem 20. Juli definitiv nicht zur Spätschicht antreten werde: „… dann bin ich krankgeschrieben. Ich habe Dich um Frühschicht gebeten“.
Die Klägerin versuchte danach, die Vorgesetzte telefonisch umzustimmen, um die Schichtänderung zu erreichen. Diese ließ sich aber nicht darauf ein.
Die Klägerin ging weiter ihrer Arbeit nach. Aber am 29.06.2020 liess sie sich von ihrem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 29.06.2020 bis zum 04.07.2020 ausstellen. Sie übergab noch am selben Tag dem Geschäftsführer der Beklagten diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zusammen mit ihrem Kündigungsschreiben, mit dem sie das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2020 kündigte.
Die Arbeitgeberin reagierte nur 3 Stunden später mit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Sie begründete die Kündigung mit der angedrohten Krankschreibung.

Das Arbeitsgericht Schwerin erklärte die Kündigung für unwirksam. Die Arbeitgeberin legte Berufung bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern ein. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Das Landesarbeitsgericht führte aus, dass die Androhung einer Krankschreibung eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten darstellte.
Trotzdem erklärte es die Kündigung für unwirksam. Hintergrund war, dass schon lange ein Konflikt unter den Beschäftigten am Arbeitsplatz bestanden hatte, der sich durch die spontane WhatsApp-Nachricht bei der Arbeitnehmerin entladen habe. Als entscheidend sah das Landesarbeitsgericht es an, dass die Arbeitnehmerin selbst schon das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte. Damit war eine Lösung des Konflikts „in greifbarer Nähe“, so das Landesarbeitsgericht. Eine Wiederholungsgefahr habe nicht mehr oder nur noch eingeschränkt bestanden.

Das Arbeitsverhältnis habe fast 10 Jahre bestanden und die Klägerin sei ihren arbeitsvertraglichen Pflichten während dieser Zeit ordnungsgemäß nachgekommen. In der WhatsApp-Nachricht sah das Arbeitsgericht eine Spontanreaktion, in der sich die am Arbeitsplatz entstandenen und schon lange existierenden Spannungen entluden. Das Landesarbeitsgericht sah eine Weiterbeschäftigung der Klägerin über einen Zeitraum von ca. einem Monat für die Arbeitgeberin als zumutbar an. Es sei darin keine unzumutbare Belastung auf Seiten der Beklagten zu erwarten.

Bewertung /Tipp:
Es sollte sich eigentlich schon weitgehend herumgesprochen haben, dass die Ankündigung einer Krankschreibung wegen Arbeitsunfähigkeit einen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen kann. Wie man sieht, kommt es aber doch immer wieder zu solchen Fällen. Deshalb warne ich hier eindringlich davor, mit einer Krankschreibung zu drohen. Das gilt auch dann, wenn Sie sich tatsächlich krank fühlen und trotz der Erkrankung am Arbeitsplatz erschienen sind.
(eingestellt am 14.07.2021)