Tipps und Urteile

Tarifliche Altersgrenzen für Fluglotsen (Beschluss des LAG Düsseldorf vom 09.03.2011, Aktenzeichen 12 TaBV 81/10) und die Sonderregelungen für die Beschäftigten in den operativen FS-Diensten (SR FS-Dienste 2025) vom 21.05.2024
Im Ausgangsfall ging es um ein Beschlussverfahren. Das ist eine Streitigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin. Konkret stritten die Parteien um eine Zustimmungsersetzung: Der Betriebsrat kann gemäß § 99 Abs. 2 Nummer 1 BetrVG die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers unter anderem verweigern, wenn die Einstellung gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder ein Gesetz verstößt. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, so kann der Arbeitgeber gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen.

Ein Fluglotse hatte zum 31.10.2010 die tarifliche Altersgrenze erreicht. Die Arbeitgeberin und der Fluglotse hatten sich (wohl wegen Fachkräftemangels) über eine vom 01.11.2010 bis zum 31.10.2011 befristete Anschlussbeschäftigung verständigt. Hier hatte der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert. Man muss dazu wissen, dass die Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses eine Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt, sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben war. Der Betriebsrat hatte sich unter anderem darauf berufen, dass die befristete Einstellung eines Arbeitnehmers, der im Tower Düsseldorf beschäftigt war, gegen die „Sonderregelungen 2010 für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den operativen FS-Diensten (SR FS-Dienste) vom 06.05.2010“ (– das ist ein Tarifvertrag, R.-C. B.) verstoße. Darin hieß es:

„§ 33. (1) für Supervisors FVK, Lotsinnen und Lotsen, die mindestens 15 Jahre eine Tätigkeit als Lotsin oder Lotse im Flugverkehrskontrolldienst wahrgenommen haben, endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem sie das 55. Lebensjahr vollendet haben.“

Wäre die Bestimmung in diesem Tarifvertrag ein wirksames Verbot gewesen, Fluglotsen über die Vollendung des 55. Lebensjahres hinaus zu beschäftigen, so hätte der Betriebsrat seine Zustimmung zu Recht verweigert und das Landesarbeitsgericht hätte sie nicht ersetzen dürfen.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf sowie auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf haben die Zustimmung ersetzt. Das Landesarbeitsgericht sah in der tariflichen Regelung einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (der die Berufsfreiheit gewährleistet). „ … die Tarifvertragsparteien“, so das LAG Düsseldorf, „bewegen sich mit der Altersgrenze von 55 Jahren nur so lange im Rahmen der ihnen zustehenden Regelungsbefugnis, wie öffentlich-rechtliche Vorschriften aus Sicherheitsgründen Beschränkungen beim Einsatz von Fluglotsen nach Vollendung des 55. Lebensjahrs vorsehen …“
Spätestens seit der im Jahr 2009 erfolgten Neufassung von § 32 Abs. 4 Nummer 4 LuftVG sei diese Voraussetzung entfallen. Diese Gesetzesvorschrift ermöglicht es in der Neufassung, die Leistungsfähigkeit von älteren Fluglotsen unabhängig von einer starren Altersgrenze zu prüfen. Es können beispielsweise ab Erreichung eines bestimmten Lebensalters die Intervalle von Tauglichkeitsuntersuchungen verkürzt werden.

Bewertung:
Diese Entscheidung stärkt das Recht der Arbeitnehmer auf ihre Berufsfreiheit, indem sie eine starre Altersgrenze für die Ausübung der Tätigkeit als Fluglotse verbietet.
Das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Sicherheit der Luftfahrt kann durch differenziertere Regelungen erfüllt werden und das wird ja auch so gemacht.

In der Entscheidung wurde § 10 AGG nicht diskutiert. Danach ist „eine unterschiedliche Behandlung wegen Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.“

Die aktuell gültigen Sonderregelungen für die Beschäftigten in den operativen FS-Diensten (SR FS-Dienste 2025) vom 21.05.2024 sehen keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach starren Altersgrenzen mehr vor. In § 35 Abs. 3 wird jedoch für Air Traffic Control Officer (ATCO) „aus Gründen der Gesundheitsvorsorge und zur Erhaltung der Einsatzfähigkeit“ festgelegt, dass diese ausschließlich von montags bis freitags und außerhalb der Nachtarbeitszeit eingesetzt werden. Damit sind für die Betroffenen allerdings auch ganz erhebliche Einkommenseinbußen (Einbußen an Zulagen) verbunden. Wegen des erheblich stärkeren Flugverkehrs in den Zeiten, in denen ihnen die Tätigkeit durch den Tarifvertrag erlaubt wird, ist auch fraglich, ob diese Einschränkung tatsächlich zu einer gesundheitlichen Entlastung führen kann. Insoweit ist fraglich, ob die Regelung in dem Tarifvertrag den gesetzlichen Anforderungen an eine Einschränkung der Berufsfreiheit und eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters genügt. Die Tauglichkeit zur Arbeitsleistung an Wochenenden und zur Nachtzeit könnte für die betroffene Personengruppe auf weniger einschneidende Weise sichergestellt werden.
(eingestellt am 01.02.2025)