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„Digital Native" in Stellenanzeige ist Altersdiskriminierung – Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn (18.01.2024, Az. 8 Ca 191/23)
§ 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verbietet „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (...)". § 7 des Gesetzes verbietet eine Benachteiligung von Beschäftigten aus einem dieser Gründe. Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz „(...) nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden." Gemäß § 3 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, „(...) wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation (...)".
In diesem Fall schrieb die potentielle Arbeitgeberin auf zahlreichen Internetplattformen eine Stelle als „Manager Corporate Communication (m/d/w) Unternehmensstrategie" aus.
Die Anzeige enthielt folgenden Text:
„(...) Darüber hinaus verstehst Du Dich als Organisationstalent, das Projekte souverän führt – auch im Change. Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Daten-getriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause."
Der Kläger in diesem Verfahren, der im Jahre 1972 geboren ist, bewarb sich, wurde jedoch nicht eingestellt. Er machte deshalb eine Entschädigung in Höhe von 37.500,00 € gegen die potentielle Arbeitgeberin geltend.In der Formulierung „Digital Native" sah das Gericht eine unmittelbare Diskriminierung wegen Alters. Es ging davon aus, dass mit diesem Begriff eine Person der Generation gemeint ist, die in der digitalen Welt aufgewachsen ist. Es folgte damit der Ansicht des Klägers, dass damit Angehörige der Geburtsjahrsgänge ab 1980 angesprochen seien. Die Arbeitgeberin hatte eingewandt, sie habe mit dieser Formulierung nicht Bewerber in einem bestimmten Alter gesucht, sondern solche, die „sehr firm in der digitalen Welt und in der digitalen Sprache seien". Diesen Einwand ließ das Gericht nicht gelten. Wenn die Beklagte Bewerber aus allen Altersgruppen habe ansprechen wollen, hätte sie den Begriff „Digital native" weglassen können, so das Gericht, denn dieser Begriff führe nicht zu einer Verdeutlichung der geforderten Kenntnisse, sondern zu einer Einengung des Bewerberkreises.
Die potentielle Arbeitgeberin hatte zusätzlich eingewandt, dass der Kläger rechtsmissbräuchlich gehandelt habe. Denn er sei als jahrelang tätig gewesener Wirtschaftsjurist mit Führungserfahrung überqualifiziert. Außerdem habe er seinen Wohnsitz in Berlin und nicht in Heilbronn, wo der Sitz der potentiellen Arbeitgeberin ist. Der Kläger hatte jedoch entgegnet, dass er bereits jetzt in Frankfurt am Main arbeite, während seine Familie noch in Berlin wohne. Außerdem wolle er sich aus familiären Gründen nach Baden-Baden orientieren.
Das Gericht folgte der potentiellen Arbeitgeberin nicht. Im Übrigen sei der Kläger nach Einschätzung des Gerichts tatsächlich überqualifiziert für die Stelle, aber nicht in einem Maß, das dazu führe, dass das Gericht automatisch von Rechtsmissbrauch ausgehen müsse.
Das Gericht verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung einer Entschädigung von 7500,00 €.
Bewertung:
Das ist eine begrüßenswerte Entscheidung. Ich stimme dem Gericht darin zu, dass die Arbeitgeberin mit der Formulierung in der Stellenanzeige einer altersmäßige Einschränkung der angesprochenen Bewerber vorgenommen hat. Eine tatsächliche Diskriminierung aufgrund des Alters wird die Gesetzeslage aber nicht verhindern, da potentielle Arbeitgeber in aller Regel aufpassen, dass sie ihre Anzeigen nicht diskriminierend formulieren. Wenn sie dann tatsächlich diskriminierende Maßstäbe an die Bewerber anlegen, wird das in aller Regel niemand erfahren.
(eingestellt am 01.01.2025)