Tipps und Urteile

Unterlassene Impfung bei COVID-19 und Entgeltfortzahlung.
Erkrankt ein Arbeitnehmer, der sich nicht gegen COVID-19 hat impfen lassen, an dieser Erkrankung, muss das nicht zu einem Entfallen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung führen (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 24. 8. 2023, Aktenzeichen 15 Sa 1033/22)
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Kunststoffindustrie. Hier ist der Kläger seit dem Jahr 2015 als Produktionsmitarbeiter tätig.
Der Kläger hatte sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen.
Anhand eines PCR-Tests vom 26.12.2021 wurde eine SARS-CoV-2-Infektion des Klägers festgestellt. Er stellte sich am 27.12.2021 wegen Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen bei seinem Hausarzt vor, der ihn arbeitsunfähig krankschrieb. Am 29.12.2021 erließ die Gemeinde Neuenkirchen eine Ordnungsverfügung, wonach eine mindestens 14 Tage andauernde Isolierung (Quarantäne) des Klägers angeordnet wurde.
Die Arbeitgeberin zahlte für den Zeitraum vom 03.01.2022 bis zum 12.01.2022 keine Vergütung an den Kläger. Sie argumentierte mit § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz. Danach steht einem Arbeitnehmer bei Verhinderung an der Arbeit durch Krankheit Entgeltfortzahlung zu, wenn die Krankheit nicht selbstverschuldet ist.
Außerdem muss die Arbeitsunfähigkeit ausschließlich durch die Erkrankung hervorgerufen sein, nicht durch andere Ursachen (die Verhinderung muss „monokausal“ auf der Erkrankung beruhen). Die Arbeitgeberin berief sich darauf, dass der Arbeitnehmer infolge von Quarantäne nicht habe arbeiten können. Also sei die Erkrankung nicht die alleinige Ursache für die Verhinderung, die Arbeitsleistung zu erbringen.
Das sah das Landesarbeitsgericht Hamm anders. Es war der Auffassung, dass nicht die Quarantäne die Ursache für die Verhinderung war, sondern die Erkrankung. Denn der Kläger war durch seine Infektion ab dem 27.12.2021 unstreitig erkrankt. „Krankheit im Sinne von § 3 EFZG setzt einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand voraus“, so das Landesarbeitsgericht unter Berufung auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Was regelwidrig sei, bestimme sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Damit seien auch Infektionen, die unter das Infektionsschutzgesetz fallen, Krankheiten. Auch die SARS-CoV-2-Infektion des Klägers sei ein regelwidriger körperlicher Zustand und somit eine Krankheit im Sinne von § 3 EFZG. Die Quarantäne, so das Landesarbeitsgericht, sei eine Folge der Erkrankung gewesen.

Auch ein Verschulden des Klägers an seiner Erkrankung wegen des Unterlassens der Impfung trotz der öffentlichen Empfehlungen, sich impfen zu lassen und der bestehenden Möglichkeiten zur Impfung sah das Landesarbeitsgericht nicht. Denn, so das Gericht, es hätten häufigere Impfdurchbrüche gezeigt, dass der Kläger auch ohne eine Impfung hätte erkranken können. Somit lasse sich nicht feststellen, dass das Unterlassen der Impfung die Erkrankung des Klägers herbeigeführt habe. 

Bewertung / Tipp:
Eine richtige Entscheidung, die der Gesetzeslage entspricht.
Schwierigkeiten entstanden noch, weil der Hausarzt des Klägers ihm für die Zeit vom 3. Januar bis zum 12.01.2022 keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erteilt hatte. Der Hausarzt hatte die Auffassung vertreten, dass das positive Testergebnis und die Absonderungsanordnung ausreichen würde, um seine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen.
Aufgrund der Absonderungsverfügung der Gemeinde Neuenkirchen habe aber für die Arbeitgeberin festgestanden, so das Gericht, dass der Kläger sich bis einschließlich 12.01.2022 in Quarantäne begeben musste.
Außerdem hatte der Kläger später im Verfahren eine Bescheinigung seines behandelnden Arztes vorgelegt, derzufolge er bis zum 12.01.2022 arbeitsunfähig war. 

Solche Probleme lassen sich vermeiden, indem man den Arzt bittet, wirklich für die gesamte Dauer der Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszustellen. 

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
(eingestellt am 31.10.2023)