Tipps und Urteile

Eine rückwirkende Änderung von Sozialplanansprüchen zum Nachteil des Arbeitnehmers ist wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips unzulässig. Man muss aber echte Rückwirkung und unechte Rückwirkung unterscheiden (Bundesarbeitsgericht von 02.10.2007, Aktenzeichen 1 AZR 815/06).
Im hier vorliegenden Fall half der Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verhältnismäßigkeitsprinzip dem Kläger leider nicht.
Betriebsrat und Geschäftsführung hatten einen Sozialplan abgeschlossen, der ein Volumen von rund 13.700.000 € vorsah. Aus diesem Volumen sollten die Kosten der für eine Transfergesellschaft aufzubringenden Mittel bezahlt werden. Aus dem verbleibenden Volumen sollten Sozialplanabfindungen gezahlt werden. Die Kosten der Beschäftigungsgesellschaft standen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplanes noch nicht fest. Der Kläger schied aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus und wechselte in die Beschäftigungsgesellschaft. Nach 2 Monaten schied er auch dort aus und trat eine neue Arbeitsstelle an. Auch zu diesem Zeitpunkt standen die oben genannten Kosten noch nicht fest.
Die Parteien des Sozialplans hatten nach Unterzeichnung des Sozialplans und nach dem Ausscheiden des Klägers aus der Beschäftigungsgesellschaft noch eine Protokollnotiz unterschrieben, die präzisierte, welche Vergütungsbestandteile bei der Berechnung der Sozialplanabfindung berücksichtigt werden sollten.
Diese Protokollnotiz war Anlass der Klage. Der Kläger argumentierte, dass der Protokollnotiz zufolge sogenannte „Überhangsstunden“ und Überstunden nicht in die Berechnung der Sozialplanabfindung einflossen. Damit hätten die Betriebsparteien eine nachträgliche Verschlechterung des Sozialplans vereinbart und somit gegen das Vertrauensschutz- und Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen. Der Kläger hatte eine Abfindungszahlung von rund 36.600 € erhalten. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Posten hätte er rund 44.300,00 € Abfindung erhalten müssen. Die Differenz hatte er mit der Klage geltend gemacht.
Das Bundesarbeitsgericht folgte seiner Argumentation nicht.
Der Grund war, dass zum Zeitpunkt seines Ausscheidens die Höhe des Abfindungsbetrags noch gar nicht festgestanden hatte.
Sein Anspruch auf die Abfindung sei entstanden, auch wenn die konkrete Höhe der Summe noch nicht festgestanden habe. Für die Entstehung des Anspruchs genüge es, dass der Anspruch bestimmbar sei. So sei es hier gewesen.
Hier habe aber eine unechte Rückwirkung vorgelegen. Eine echte Rückwirkung liege vor, wenn eine Rechtsnorm nachträglich in bereits abgewickelte Tatbestände eingreife. Eine unechte Rückwirkung liege vor, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen einwirke und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertete.
Im vorliegenden Fall sei der Abfindungsanspruch noch nicht erfüllt gewesen, weshalb eine unechte Rückwirkung vorgelegen habe.

Auch der Vertrauensschutzgrundsatz sei nicht verletzt, denn die Mittel, die für die Transfergesellschaft gezahlt werden müssten, hätten zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers noch nicht festgestanden. Von dieser Summe wäre auch die Höhe des Anspruchs des Klägers abhängig gewesen.

Bewertung / Tipp:
Mit der Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zur rückwirkenden Änderung von Betriebsvereinbarung zum Nachteil von Individualansprüchen von Arbeitnehmern weiter präzisiert und den Unterschied zwischen unechte Rückwirkung und echte Rückwirkung deutlich herausgearbeitet.
Diese Rechtsprechung findet nicht nur auf Ansprüche aus Sozialplänen, sondern auf jegliche Betriebsvereinbarungen Anwendung, aus denen sich individuelle Ansprüche von Arbeitnehmern ergeben.
(eingestellt am 01.06.2023)