Tipps und Urteile

Kündigungsfristen: welche Fristen gelten für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer und für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber?
1. Gesetzliche Regelung
Grundsätzlich gilt für alle Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis kündigen, eine Frist von 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 1 BGB).
Für Arbeitgeber, die das Arbeitsverhältnis kündigen, gilt eine andere Regel. Die Kündigungsfrist für Arbeitgeber verlängert sich entsprechend dem Ablauf bestimmter Zeitabschnitte, die das Arbeitsverhältnis angedauert hat, also nach 2 Jahren auf einen Monat zum Ende eines Kalendermonats, nach 5 Jahren auf 2 Monate zum Ende eines Kalendermonats, nach 8 Jahren auf 3 Monate eines Kalendermonats etc. (siehe im Einzelnen § 622 Abs. 2 BGB).

2. Veränderungen durch Arbeitsvertrag
Das ist die grundsätzliche gesetzliche Regel. Sie wird häufig in Formulararbeitsverträgen so abgewandelt, dass vereinbart wird, dass die gesetzlichen Verlängerungen der Kündigungsfristen für die Arbeitgeberseite auch für die Arbeitnehmerseite gelten. Solche Klauseln in Formularverträgen sind nach der Rechtsprechung auch zulässig. Sie müssen also immer in den Arbeitsvertrag schauen, bevor Sie Ihr Arbeitsverhältnis kündigen, um die korrekte Frist für Ihre Kündigung zu ermitteln.

3. Veränderungen durch Tarifvertrag
Ist das Arbeitsverhältnis tarifgebunden – also der Arbeitgeber ist Mitglied im Arbeitgeberverband und Sie sind Mitglied in der Gewerkschaft, die mit diesem Arbeitgeberverband einen Tarifvertrag abgeschlossen hat, so gelten die Regelungen des Tarifvertrags. Man muss sich dann unbedingt den Tarifvertrag ansehen. Tarifverträge enthalten bisweilen erhebliche Modifikationen gegenüber der gesetzlichen Regelung.

4. Unterschiedliche Vorschriften in Tarifvertrag und Arbeitsvertrag, was gilt?
Was, wenn der Arbeitsvertrag eine für Sie als Arbeitnehmer günstigere Regelung enthält als der Tarifvertrag? Hier kann die Feststellung, welche Kündigungsfrist anzuwenden ist, knifflig werden.

Beispiel: im Tarifvertrag könnte für den Arbeitnehmer eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende vereinbart sein, im Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist von 2 Monaten.

Grundsätzlich gilt im deutschen Arbeitsrecht das Prinzip, dass die für den Arbeitnehmer günstigere Norm gilt, auch wenn die günstigere Norm niederrangiger ist als die ungünstigere.
Sollte also der Arbeitsvertrag, der niederrangiger ist als der Tarifvertrag, günstiger für den Arbeitnehmer sein, so gilt die Regelung im Arbeitsvertrag.

Aber welche Regelung ist in obigem Beispiel günstiger für den Arbeitnehmer? Im Januar eines Jahres wäre die arbeitsvertragliche Regelung die günstigere. Würde der Arbeitnehmer beispielsweise am 10. Januar des Jahres kündigen, so würde die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 10. März beenden.
Ab Monat Februar würde die Beurteilung sich ändern: würde der Arbeitnehmer zum Beispiel am 10. Februar kündigen, so würde die arbeitsvertragliche Regelung dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis erst am 10. April beendet wäre. Dann wäre für den kündigenden Arbeitnehmer die Regelung aus dem Tarifvertrag die günstigere.
Denn nach dem Tarifvertrag (einen Monat zum Quartalsende) käme der Arbeitnehmer beispielsweise ab Monat Februar zum Ende des Quartals, also kurzfristiger, aus dem Arbeitsvertrag heraus.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Gesamtvergleich anzustellen, ob die vertragliche oder die tarifvertragliche Regelung die für den Arbeitnehmer günstigere ist.
Im obigen Beispielsfall kommt man nach den Maßstäben des Bundesarbeitsgerichts dazu, dass die tarifvertragliche Regelung die insgesamt günstigere ist. Denn in 2/3 eines Jahres wäre die tarifvertragliche Regelung die günstigere für den Arbeitnehmer, nur in einem Drittel eines Jahres die arbeitsvertragliche Regelung.

5. Tarifvertragliche Kündigungsfristen können auch gelten, wenn Sie nicht Gewerkschaftsmitglied sind.
Die Kündigungsfrist kann sich auch dann aus dem Tarifvertrag ergeben, wenn ein Arbeitsvertrag die Anwendung des Tarifvertrages vorsieht oder wenn ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Dann gilt er auch für Arbeitnehmer, die nicht Gewerkschaftsmitglied sind und entsprechend Arbeitgeber, die nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbands sind.

Im Regelfall ist die Feststellung der maßgeblichen Kündigungsfrist nicht allzu schwierig. Aber es gibt auch knifflige Zweifelsfälle. Bei Zweifeln sollten Sie sich besser von mir vor Ausspruch Ihrer Kündigung beraten lassen. Ich habe schon erlebt, dass sich aus einer falschen Berechnung der Kündigungsfrist ärgerliche Rechtsstreitigkeiten ergeben haben.
(eingestellt am 01.04.2023)