Tipps und Urteile

Datenschutzverstoß von Krankenkasse: Die Krankenversicherungen dürfen ohne Einwilligung des Krankenversicherten und Arbeitnehmers nicht ohne Einwilligung des Arbeitnehmers personenbezogene Daten zu Arbeitsinhalten und gesundheitlichen Belastungen beim Arbeitgeber einholen.
Hier ausnahmsweise – mit freundlicher Genehmigung meines Mandanten – einmal ein Bericht eines eigenen Falls.
Ein Krankenversicherter war schon seit längerer Zeit erkrankt. Die Krankenkasse übersandte der Arbeitgeberin des Krankenversicherten einen Fragebogen, in welchem gefragt wurde, ob das Beschäftigungsverhältnis befristet oder unbefristet ist, ob Schichtarbeit geleistet werden muss, wie die täglichen und die Wochenarbeitszeiten sind und zur Tätigkeitsausübung, ob und in welchem Ausmaß zum Beispiel sitzend oder stehend gearbeitet werden muss, mit erhobenen Armen etc., ob es besondere Belastungen am Arbeitsplatz gäbe, wie zum Beispiel Hitze, Kälte, etc., ob hohe Konzentration erforderlich sei etc..

Vor Versendung des Fragebogens waren diese Fragen dem Krankenversicherten nicht gestellt worden. Er erfuhr davon nur dadurch, dass die Arbeitgeberin den von ihr bereits ausgefüllten Bogen nicht an die Krankenkasse, sondern an ihn selbst weitergab.

Auf meine im Auftrag des Mandanten erstattete Anzeige dieses Datenschutzverstoßes leitete der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) ein aufsichtsbehördliches Verfahren ein. Ergebnis: die betreffende Krankenkasse wurde mit Bescheid des BfDI verwarnt. Der Datenschutzverstoß sei „zumindest fahrlässig (…) verschuldet worden und wäre bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt vermeidbar gewesen.“

Die Krankenkasse hatte sich darauf berufen, dass der Krankenversicherte einer individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Abs. 4 SGB V (sogenanntes Krankenfallmanagement) zugestimmt hätte.
Der BfDI wies darauf hin, dass er bereits in seinem Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2011 und 2012 ausgeführt hat, „dass das Krankenfallmanagement die Kontaktaufnahme zum Arbeitgeber nicht von vornherein legitimiert.“ Die notwendigen Informationen zur individuellen Beratung müssen vorrangig über den Versicherten bezogen werden. Nur „wenn der Versicherte seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt und der Krankenkasse keine diesbezüglichen Informationen zukommen lässt, hat der Arbeitgeber auf Verlangen dem Leistungsträger Auskunft über die Art und Dauer der Beschäftigung, den Beschäftigungsort und das Arbeitsentgelt zu erteilen“ so der BfDI. Die Krankenkasse hat dem BfDI zugesagt, ihre Verfahrensweise anzupassen.

Bewertung / Tipp:
Die Verteidigung der Krankenkasse war schon deshalb nicht überzeugend, weil es in § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB V heißt: „Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen.“Ich möchte hier noch darauf hinweisen, dass die Einwilligung zum Krankenfallmanagement gemäß Satz 3 der genannten Vorschrift „jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen“ werden kann.

Es dürfen auch lange nicht die Informationen bei der Arbeitgeberin abgefragt werden, die die Krankenkasse in dem Fragebogen erhoben hatte, sondern nur „die Art und Dauer der Beschäftigung, der Beschäftigungsort und das Arbeitsentgelt“.

In diesem Zusammenhang:
Ich empfehle Krankenversicherten mit Langzeiterkrankungen, der Praxis der Krankenversicherungen, die Erkrankten telefonisch zu kontaktieren, zu widersprechen und ausschließlich schriftlichen Kontakt zu verlangen.
Nach der Beobachtung der Verbraucherzentrale Hamburg wird § 44 Abs. 4 SGB V von einigen Kassen benutzt, um an Daten des Versicherten heranzukommen, die zu einer Verkürzung des Krankengeldanspruchs führen können oder um ihn dazu zu verpflichten, ein Reha- und Rentenantrag zu stellen, ohne auf das Verweigerungsrecht hinzuweisen.
Vor diesem Hintergrund empfehle ich weiter, sich generell mit dem Krankenfallmanagement nicht einverstanden zu erklären.
(eingestellt am 22.07.2023)