Tipps und Urteile

Der Betriebsrat ist berechtigt, einen oder mehrere Beisitzer für die Einigungsstelle zu bestellen, die dem Betrieb nicht angehören. Für die nicht betriebsangehörigen Beisitzer ergibt sich daraus ein Honoraranspruch. Der Honoraranspruch ist nur von einer wirksamen Bestellung des Beisitzers und davon abhängig, dass der Beisitzer die Bestellung annimmt. Die Wirksamkeit der Bestellung und damit der Honoraranspruch des Beisitzers besteht unabhängig davon, ob es im Einzelnen erforderlich gewesen ist, den Beisitzer zu bestellen. (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 31.05.2022, Aktenzeichen 5 Ta BV 17/21)
Gemäß § 76 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist „zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden“ (§ 76 Abs. 1 BetrVG).
Gemäß § 76 Abs. 2 BetrVG besteht eine Einigungsstelle „aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Personen sich beide Seiten einigen müssen.“ Weiter heißt es im Gesetz sinngemäß, dass bei Nichteinigung über die Person des Vorsitzenden oder die Anzahl der Beisitzenden das Arbeitsgericht entscheidet.
Die Kosten der Einigungsstelle beträgt gemäß § 76a Abs. 1 BetrVG der Arbeitgeber. Der Vorsitzende der Einigungsstelle und die Beisitzer, die nicht betriebsangehörig sind, haben gemäß § 76a Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Vergütung gegen den Arbeitgeber. Betriebsangehörigen Beisitzer haben einen Anspruch auf normale Bezahlung oder, falls ihre Tätigkeit als Beisitzer außerhalb der gewöhnlichen Arbeitszeit stattfindet, auf Ersatzfreistellung gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG.

Die Arbeitgeberin des vorliegenden Falls erbringt mit mehreren 100 Mitarbeitern Logistikdienstleistungen. Betriebsrat und Arbeitgeberin konnten sich über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitskleidung nicht einigen. Der Betriebsrat stellte das Scheitern der Verhandlungen fest. Daraufhin einigten sich die Parteien der Betriebsvereinbarung auf je 4 Beisitzer. Der Betriebsrat benannte daraufhin einen im Ruhestand befindlichen Gewerkschaftssekretär und einen Rechtsanwalt zum Beisitzer. Die Einigungsstelle verhandelte 3 Tage lang. Der Vorsitzende der Einigungsstelle stellte der Arbeitgeberin 3500,00 € pro Tag, insgesamt also 10.500,00 € netto in Rechnung, die Beisitzenden 7/10 des Betrages, also 7350,00 €. Die Arbeitgeberin bezahlte die Rechnung des Rechtsanwalts, nicht jedoch diejenige des früheren Gewerkschaftssekretärs.
Der Gewerkschaftssekretär machte daraufhin seine Vergütung vor dem Arbeitsgericht Schwerin geltend. Er bekam sowohl vom Arbeitsgericht Schwerin als auch vom Landesarbeitsgericht Rostock die Summe zugesprochen.
Die Arbeitgeberin hatte argumentiert, neben der Bestellung eines Rechtsanwalts sei die Hinzuziehung eines zweiten betriebsfremden Beisitzers nicht erforderlich und unverhältnismäßig gewesen.

Das Landesarbeitsgericht führte aus, dass gemäß § 76 a Abs. 3 BetrVG ein betriebsfremder Beisitzer immer einen Honoraranspruch habe, wenn er wirksam bestellt und diese Bestellung angenommen habe. Dann, so das Landesarbeitsgericht, besteht ein Vergütungsanspruch kraft Gesetz. Für die Auswahlentscheidung sei allein das Vertrauen des Betriebsrats in die Person des Beisitzers maßgeblich. Die Wirksamkeit der Bestellung hänge nicht davon ab, ob diese im Einzelfall erforderlich gewesen sei oder ob der Betriebsrat die Benennung eines oder mehrerer externer Beisitzer für erforderlich halten durfte.
Eine Begrenzung der Kostenlast für die Arbeitgeberseite ergebe sich schon daraus, dass in der Regel nicht mehr als 2 oder 3 Beisitzer pro Seite benannt werden könnten.
Beide Beisitzer hatten 7/10 des Honorars des Vorsitzenden berechnet. Dies ist eine Größe, die auch das Bundesarbeitsgericht sowie mehrere Instanzgerichte für angemessen erkannt haben.

Bewertung:
Die Entscheidung entspricht der Gesetzeslage und auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Tipp:
Überall dort, wo es im Betriebsverfassungsgesetz heißt „der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat“, besteht ein starkes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Denn der Arbeitgeber kann sich einer Einigung mit dem Betriebsrat nicht entziehen. Versucht er das, so muss er damit rechnen, dass der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragt, eine Einigungsstelle einzusetzen.

Der Beschluss des Betriebsrats, das Scheitern der Verhandlungen festzustellen und die Einsetzung einer Einigungsstelle zu verlangen, kann ins Stocken geratene Verhandlungen befördern. Denn dem Arbeitgeber ist bewusst, dass die Regelung der Angelegenheit kostspielig werden kann, wenn es zur Einigungsstelle kommt. Schließlich müssen dann Vorsitzende, Beisitzer und auch Betriebsangehörige (Die in diesem Fall ihre eigentliche Tätigkeit im Betrieb ja nicht ausüben) bezahlt werden.
Ich habe es schon öfter erlebt, dass nach der Einsetzung einer Einigungsstelle durch das Gericht die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat dann doch noch ohne Einigungsstelle zum Abschluss kamen.

Die Formulierung „der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat“ kommt an folgenden Stellen des Betriebsverfassungsgesetzes vor: § 37 Abs. 6 (es geht um die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen des Betriebsrats), § 38 Abs. 2 (Personen der freizustellende Betriebsratsmitglieder), § 39 Abs. 1 (Zeit und Ort der Sprechstunden des Betriebsrats), § 85 Abs. 2 (Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Berechtigung von Beschwerden von Arbeitnehmern), § 87 Abs. 2 (eine ganz gewichtige Norm des BetrVG, sie bezieht sich auf § 87 Abs. 1, der zentrale Fragen der Mitbestimmung des Betriebsrats regelt), § 91 (Meinungsverschiedenheiten zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit), § 94 Abs. 1 (Inhalte von Personalfragebögen), § 95 Abs. 1 und 2 (Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen), § 97 Abs. 2 (Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung), § 98 Abs. 4 (Personen der Teilnehmer an Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung), § 109 (Umfang und Inhalt von Auskünften des Arbeitgebers über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens) und § 112 Abs. 4 (Sozialplan).
(eingestellt am 08.01.2023)