Tipps und Urteile

Für Arbeit auf Abruf gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche als vereinbart, wenn die Parteien des Arbeitsvertrages keine Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart haben.
Aus einem bestimmten Abrufverhalten des Arbeitgebers in der Vergangenheit kann nicht auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers geschlossen werden, er wolle in Zukunft die Arbeitszeiten sowie in der Vergangenheit abrufen. Umgekehrt kann auch aus der Bereitschaft der Arbeitnehmerin, eine bestimmte Zeit lang mehr als die vereinbarte Arbeitszeit zu leisten, nicht darauf geschlossen werden, sie sei in Zukunft dazu bereit (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.10.2023, Aktenzeichen 5 AZR 22/23)
Eine Arbeitnehmerin war vom Arbeitgeber als Abrufkraft beschäftigt worden. Ihr Arbeitsvertrag enthält keine Vereinbarung über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. In den Jahren von 2017-2019 hatte die Arbeitgeberin sie monatlich durchschnittlich für 103,2 Stunden abgerufen. Als im Jahr 2020 die Abrufe der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin von Seiten der Arbeitgeberin zurückgingen, verlangte sie jeweils die Differenz zwischen der abgerufenen Arbeitszeit und 103,2 Stunden wegen Annahmeverzugs der Arbeitgeberin vergütet zu bekommen.
Die Arbeitnehmerin hatte damit in allen Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.
§ 12 Abs. 1 Nummer 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) bestimmt, dass eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart gilt, wenn die Parteien im Arbeitsvertrag keine andere Wochenarbeitszeit vereinbart haben. Ein Abweichen von dieser gesetzlichen Regelung im Wege ergänzender Vertragsauslegung könne, so das Bundesarbeitsgericht, nur angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht sei und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass die Parteien bei Vertragsabschluss übereinstimmend eine andere Dauer der Wochenarbeitszeit gewollt hätten.

Eine nachträgliche Abänderung der gesetzlich als vereinbart geltenden 20 Stunden sei möglich, auch durch schlüssiges Handeln. Aber allein der Abruf einer bestimmten Anzahl von Stunden durch die Arbeitgeberin habe keine Erklärungswirkung für den Willen, sich auf eine höhere Stundenanzahl für die Zukunft festzulegen.
Auch die Bereitschaft der Arbeitnehmerin, eine Zeit in der Vergangenheit mehr als 20 Wochenstunden zu arbeiten, rechtfertigt keinen Schluss auf deren Willen, das auch in Zukunft zu tun.
Insoweit konnte das Bundesarbeitsgericht nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung feststellen, dass die Vereinbarung einer von der gesetzlichen Fiktion abweichende wöchentlichen Stundenanzahl zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin zustande gekommen war.<o:p></o:p>

Bewertung / Tipp:
Ich halte das für eine zutreffende Entscheidung, die auch dem Gesetzeswortlaut entspricht. Wer als Arbeitnehmerin mit 20 Wochenstunden einverstanden / zufrieden ist, muss also nicht unbedingt darauf achten, dass in einem Vertrag über Arbeit auf Abruf eine Mindeststundenanzahl vereinbart wird. Die Arbeitnehmerin hat in dem Fall, dass keine Wochenarbeitszeit vereinbart worden ist, einen Anspruch auf Vergütung von 20 Wochenstunden, auch wenn von der Arbeitgeberin weniger Wochenstunden abgerufen werden. Wer eine Mindestarbeitszeit über 20 Wochenstunden möchte, sollte darauf achten, dass das in den Vertrag aufgenommen wird. Und ebenso sollte jemand, der eine geringere Arbeitszeit als 20 Wochenstunden möchte, aufpassen, dass diese Wochenstundenzahl im Vertrag steht, denn anderenfalls würde auch eine Arbeitspflicht für 20 Wochenstunden bestehen.
Interessant und wichtig sind auch die weiteren Vorschriften zur Arbeit auf Abruf, die man in § 12 TzBfG nachlesen kann. Beispielsweise muss auch die Dauer der täglichen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Wenn das nicht gemacht worden ist, gilt eine tägliche Arbeitszeit von mindestens 3 aufeinanderfolgenden Stunden. Wurde eine Vereinbarung über die wöchentliche Arbeitszeit getroffen (also wenn nicht die gesetzliche Fiktion von 20 Wochenstunden besteht), darf der Arbeitgeber nur 20 % weniger und höchstens 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Die Arbeitszeit muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mindestens 4 Tage im Voraus mitteilen.
(eingestellt am 01.12.2023)