Tipps und Urteile

Ein Betriebsratsgremium kann nicht Ansprüche einzelner Arbeitnehmer aus einer Betriebsvereinbarung im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht für die Arbeitnehmer geltend machen. (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.10.1989, 1 ABR 75/88)
Im vorliegenden Fall hatten Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeberin einen Sozialplan vereinbart. Grund war, dass das Unternehmen mehrere Außenstellen aufgelöst hatte. Der Sozialplan sah unter anderem Leistungen bei Versetzungen und bei Beendigung der Arbeitsverhältnisse Zahlungen von Abfindungen vor. Es war in dem Sozialplan auch ein Härtefallfonds vereinbart. Für spezielle Härtefälle waren besondere Leistungen vorgesehen. In 2 Fällen sah der Gesamtbetriebsrat solche Härtefälle als gegeben an, die Arbeitgeberin aber nicht. Es war auch noch ein spezieller Härtefondsbeirat eingerichtet worden. Die Vertreter der Arbeitgeberin in dem Beirat lehnten aber Leistungen an die 2 betroffenen Arbeitnehmer ab. Daraufhin übertrug der Gesamtbetriebsrat die weitere Verfolgung der Angelegenheit an den Betriebsrat. Dieser beantragte im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht,den Arbeitgeber zu verpflichten, an den früheren Arbeitnehmer D 4395,85 DM und an den früheren Arbeitnehmer Dr. G 3031,95 DM zu zahlen.
Der Betriebsrat hatte vor dem Arbeitsgericht Reutlingen Erfolg. Vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg und dem Bundesarbeitsgericht jedoch nicht.

Das Bundesarbeitsgericht wies auf seine auch schon vorher bestehende Rechtsprechung hin, wonach der Betriebsrat nicht den Individualrechtsschutz einzelner Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht wahrnehmen kann. Eine Betriebsvereinbarung sei ebenso wie ein Tarifvertrag ein Normenvertrag und kein schuldrechtlicher Vertrag zugunsten Dritter. Dem Betriebsrat stehe kein eigener Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Erfüllung normativ begründeter Ansprüche aus der Betriebsvereinbarung zu.

Bewertung / Tipp:
Der Wunsch, in Prozessstandschaft für Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber eine tariflich oder aus Betriebsvereinbarung geschuldete Leistung nicht erbringt, vor dem Arbeitsgericht zu klagen, wird verständlicherweise immer wieder von Betriebsräten an mich herangetragen. Denn die Betriebsräte sind erheblich besser als die übrigen Arbeitnehmer vor Sanktionen des Arbeitgebers geschützt. Gegenwärtig ist in unserem Land die Rechtslage jedoch so wie geschildert.
Arbeitnehmer müssen also, wenn es hart auf hart kommt, Individualansprüche selbst vor den Arbeitsgerichten geltend machen.DeBetriebsrat kann hingegen vor den Arbeitsgerichten eigene Ansprüche als Betriebsrat auf die ordnungsgemäße Durchführung von Betriebsvereinbarungen geltend machen. Das Bundesarbeitsgericht führte als Beispiele in der Rechtsprechung bereits behandelte Fälle an: die Durchführung einer betrieblichen Ordnung, die Überwachung der Einhaltung eines Alkoholverbotes, die Zuweisung von Teilzeitkräften zu bestimmten Arbeitsschichten und die durch Auslegung einer Betriebsvereinbarung zu beantwortende Frage, wie Vorgabezeiten innerhalb eines Akkordsystems vom Arbeitgeber zu berechnen waren. Solche Ansprüche kann der Betriebsrat ohne weiteres im Beschlussverfahren verfolgen.
(eingestellt am 22.03.2023)