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Darf der Arbeitgeber das? Anrufe des alten Arbeitgebers beim neuen Arbeitgeber mit negativen Äußerungen über die Arbeitnehmerin (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2022, Aktenzeichen 6 Sa 54/22)
Die Arbeitnehmerin war beim früheren Arbeitgeber ab dem 15.02.2021 als leitende Fachkraft Gesundheitswesen für den Geschäftsbereich Alltagspaten (Dienstleistungen im Rahmen der Alltagsbegleitung) beschäftigt. Die Arbeitnehmerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.04.2021 zum 31.05.2021. Die Arbeitgeberin focht das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung an. Begründung der Anfechtung war, dass die Klägerin beim Abschluss des Arbeitsvertrages fälschlicherweise erklärt habe, noch bei ihrem vorherigen Arbeitgeber beschäftigt zu sein. Tatsächlich sei das Arbeitsverhältnis mit dem vorherigen Arbeitgeber aber bereits am 30.09.2020 beendet gewesen. Außerdem kündigte dieser Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen verschiedener angeblicher Vertragspflichtverletzungen fristlos.

Die Arbeitnehmerin hatte einen neuen Arbeitgeber gefunden. Diesen rief der Geschäftsführer der früheren Arbeitgeberin an und teilte diesem die obige Geschichte mit dem zum Zeitpunkt der Bewerbung bei der früheren Arbeitgeberin nicht mehr bestehenden Arbeitsverhältnis zu der vorherigen Arbeitgeberin und die angeblich wahrheitswidrige Behauptung, das Arbeitsverhältnis habe noch bestanden, mit. Außerdem sei die Arbeitnehmerin nicht in der Lage gewesen, einen Dienstplan eigenständig zu erstellen. Sie habe dafür Hilfe durch ihren Ehemann gebraucht. Dabei habe sie einen schweren Datenschutzverstoß begangen, denn sie habe vertrauliche Daten an einen Dritten übersandt. Außerdem habe sie Mitarbeiter angewiesen, Pflegeleistungen im rechtlichen Sinne zu erbringen, obwohl die frühere Arbeitgeberin nur sogenannte Alltagsdienste, also keine Pflegeleistungen, erbringen durfte. Weiter habe sie mehrere Nachmittage unentschuldigt bei der Arbeit gefehlt und sich mit Privatangelegenheiten befasst.
Zwischen den Parteien des Rechtsstreits war streitig, ob der Geschäftsführer der früheren Arbeitgeberin gegenüber dem neuen Arbeitgeber behauptet hatte, die Arbeitnehmerin habe ohne Begründung mehrere Termine mit Neuinteressenten für die Leistungen der früheren Arbeitgeberin verschoben. Dies habe dazu geführt, dass die Neuinteressenten abgesprungen seien. Die Arbeitnehmerin beantragte zuletzt beim Landesarbeitsgericht, die frühere Arbeitgeberin zu verurteilen, es zu unterlassen, aktiv auf potentielle künftige Arbeitgeber der Klägerin zu zu gehen und
die Behauptungen zu erheben,
die Arbeitnehmerin habe den Arbeitsvertrag durch falsche Angaben über das Bestehen des Vorbeschäftigungsverhältnisses erschlichen,
sie habe durch Dienstplanerstellung durch ihren Ehemann gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen,
sie habe Mitarbeiter zu verbotenen Pflegedienstleistungen angewiesen,
sie habe durch grundlose Terminsverschiebungen Neuinteressenten zum Abspringen veranlasst und
sie habe an mehreren Nachmittagen die Arbeit ohne Erlaubnis niedergelegt.

Die Arbeitnehmerin bekam schon in der 1. Instanz in allen Punkten bis auf den Punkt „grundlose Terminsverschiebungen“ recht. Das erstinstanzliche Urteil wurde vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. In Sachen „grundlose Terminsverschiebungen“ hatte die Arbeitnehmerin keinen Erfolg, weil sie nicht beweisen konnte, dass der Geschäftsführer der 1. Arbeitgeberin in dem Gespräch am 01.06.2021 gegenüber dem Geschäftsführer der neuen Arbeitgeberin dies behauptet hatte.
Zu allen weiteren Punkten sah das Landesarbeitsgericht kein überwiegendes Interesse der früheren Arbeitgeberin daran, die behaupteten Sachverhalte dem neuen Arbeitgeber gegenüber zu offenbaren.
Bemerkenswert ist zum Vorwurf der Anweisung von Mitarbeitern zu verbotenen Pflegedienstleistungen noch, dass die Ehegattin des Kunden mitgeteilt hatte, dass die Arbeitnehmerin keine vollständige Übernahme von Pflegemaßnahmen angewiesen habe, sondern die Mitarbeiterin der Arbeitgeberin lediglich die Ehefrau des Kunden hierbei und beim Umlagern unterstützen sollte.

Abschließend stellte das Gericht fest: „insgesamt vermochte sich die Berufungskammer nicht des Eindrucks zu erwehren, dass die Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten, (…) ihren Grund zu einem erheblichen Teil in der Auseinandersetzung der Parteien im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses haben. (…) Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte sich zudem bereits den 1. Arbeitstag der Klägerin in der neuen Beschäftigung für ihren informativen Anruf ausgesucht hat, wo die Klägerin einen persönlichen Eindruck noch nicht hinterlassen haben konnte, erweckt den Anschein, dass die Beklagte – zumindest auch – die Absicht hatte, der Klägerin zu schaden. Für ein derartiges Ansinnen besteht kein berechtigtes Interesse der Beklagten.“

Bewertung / Tipp:
Zu Recht hat das Gericht hier eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerin angenommen und die Arbeitgeberin verurteilt, derartige Behauptungen künftigen Arbeitgebern der Arbeitnehmerin gegenüber zukünftig zu unterlassen.

In einer Entscheidung aus dem Jahr 1984 hat das Bundesarbeitsgericht einmal festgestellt, dass der frühere Arbeitgeber „aus dem Gesichtspunkt der nachwirkenden Fürsorgepflicht“ gehalten sei, über die Erteilung des Zeugnisses hinaus im Interesse des ausgeschiedenen Arbeitnehmers Auskünfte über diesen an solche Personen zu erteilen, mit denen der Arbeitnehmer in Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages steht.“ (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Dezember 1984,3 AZR 389/83, juris Rn. 11 und 12) Angesichts der Entwicklung, die das Datenschutzrecht seither genommen hat, bezweifle ich, dass diese Auffassung in diesem Umfang heute noch haltbar ist. Wobei erkennbar das Bundesarbeitsgericht nicht von Negativauskünften ausging, sondern darum, dass die Karriere einer Arbeitnehmerin gefördert werden sollte.

Meine praktischen Erfahrungen dazu:
Sie werden im Regelfall nicht verhindern können, dass Auskünfte über Sie und auch negative Auskünfte über Sie von früheren Arbeitgebern erteilt werden, weil Sie dies nicht erfahren.
Vor vielen Jahren habe ich einmal einen Arbeitnehmer beraten, dem der Verdacht kam, dass ein früherer Arbeitgeber negative Geschichten über ihn verbreiten würde. Der Verdacht kam ihm, weil mehrere Bewerbungsgespräche mit negativem Ausgang verlaufen waren. Mithilfe eines Privatdetektivs konnte er dies Verhalten des früheren Arbeitgebers gerichtsfest nachweisen.
(eingestellt am 01.01.2023)