Tipps und Urteile 2020

Wann gilt für Sie ein Tarifvertrag?
Hier gibt es immer wieder Unklarheiten. Arbeitnehmer haben vielleicht gehört, dass Kollegen mit ähnlichen Positionen am Arbeitsplatz von ihren Arbeitgebern mehr Vergütung oder weitere Leistung erhalten, die sie selbst nicht bekommen. Wenn ein Tarifvertrag gilt, spricht man von Tarifbindung oder Tarifgebundenheit.

1.Tarifbindung durch Verbandszugehörigkeit
Das ist der einfachste Fall. Er funktioniert so: Gewerkschaft und Arbeitgeberverband schließen einen Tarifvertrag ab. Der Arbeitnehmer ist Mitglied der Gewerkschaft, der Arbeitgeber ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes. Der Tarifvertrag gilt über diese Mitgliedschaften. Die Gewerkschaft kann den Tarifvertrag auch direkt mit dem Arbeitgeber abschließen (§ 3 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz). Umgekehrt heißt das: ist der Arbeitgeber nicht in einem Arbeitgeberverband und hat die Gewerkschaft mit ihm auch keinen Tarifvertrag abgeschlossen, so gilt in dem Arbeitsverhältnis kein Tarifvertrag, auch wenn der Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied ist (es sei denn, es gibt eine betriebliche Übung, siehe unten).

2.Tarifbindung durch arbeitsvertragliche Vereinbarung
Im Arbeitsvertrag kann es so oder so ähnlich heißen:
„Auf das Arbeitsverhältnis finden der Bundesrahmentarifvertrag für das XYZ-Gewerbe und die diesen ergänzenden Tarifverträge Anwendung.“
Solche Formulierungen in den Arbeitsverträgen führen auch zu einer Tarifbindung.
Sie werden gern auch von Arbeitgebern in den Arbeitsverträgen angewendet, die schon durch ihre Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband tarifgebunden sind. Warum?
Arbeitnehmer, die nicht Gewerkschaftsmitglied sind, machen so die Erfahrung, dass sie die tarifvertraglichen Leistungen „auch so“ bekommen. Hinter der freiwilligen Gewährung der tarifvertraglichen Leistung von Seiten der Arbeitgeberseite steckt also die Absicht, Nichtgewerkschaftsmitglieder davon abzuhalten, selbst Gewerkschaftsmitglied zu werden. Und nicht nur das, auch Gewerkschaftsmitglieder dazu zu bringen, aus der Gewerkschaft auszutreten.
Eine gute Taktik auf Arbeitgeberseite.
Auf Arbeitnehmerseite ist das nicht so klug. Denn nur eine starke Gewerkschaft ist in der Lage, gute Tarifverträge zu erkämpfen. Die „Trittbrettfahrer“ nehmen Leistung in Anspruch, die andere mit ihren Beiträgen und mit vielen Tagen und Nächten frieren oder schwitzen vor dem Werkstor bei Streiks erkämpft haben.

3. Tarifbindung durch betriebliche Übung
Die Inbezugnahme von Tarifverträgen ist auch durch betriebliche Übung möglich. Wenn die Arbeitgeberseite also einen bestimmten Tarifvertrag ständig anwendet oder die Tarifentwicklung ständig mitvollzieht und tarifliche Leistungen gewährt, werden Tarifverträge in Folge einer solchen betrieblichen Übung Vertragsinhalt. Gerade wenn es darum geht, festzustellen, ob das Verhalten des Arbeitgebers zum Ausdruck gebracht hat, dass er willens ist, auf Dauer die ausgehandelten Tariferhöhungen zu übernehmen, müssen aber deutliche Anhaltspunkte im Verhalten des Arbeitgebers vorliegen, die einen solchen Schluss zulassen.

4. Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag auf Antrag der Tarifvertragsparteien nach einem Procedere, an dem die Tarifvertragsparteien beteiligt sind, für allgemeinverbindlich erklären, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint (§ 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz). Das öffentliche Interesse ist in der Regel gegeben, wenn der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 Tarifvertragsgesetz).
Ist ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt, so gilt er für alle Arbeitsverhältnisse der betroffenen Branche, gleichgültig, ob der Arbeitgeber Mitglied im Arbeitgeberverband oder der Arbeitnehmer Mitglied in der Gewerkschaft ist.

In Bremen sind beispielsweise allgemeinverbindlich der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Mindestlohntarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 10. November 2017 und in Niedersachsen beispielsweise der Entgelttarifvertrag für das Friseurhandwerk im Land Niedersachsen vom 28. Mai 2018 und der der Tarifvertrag über Ausbildungsvergütungen für das Friseurhandwerk im Land Niedersachsen vom 28. Mai 2018.

Tipp:
Auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales konnte man früher ganz einfach ein Verzeichnis der allgemeinverbindlichen Tarifverträge abrufen. Seit – nach meiner Erinnerung – etwa 1,5 Jahren heißt es dort:
„Das Verzeichnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge wird derzeit überarbeitet.“
Nachdem so lange Zeit mit diesem Hinweis vergangen ist, rechne ich nicht damit, dass da noch etwas passiert.
Es wird dort darauf verwiesen, dass bei Fragen zu einem konkreten Tarifvertrag das Tarifregister im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Auskunft geben könne. Die dort angegebene Adresse lautet:

Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Referat IIIa8
53107 Bonn

Eine E-Mail-Adresse oder Telefaxnummer ist nicht angegeben. Man darf dann also einen Brief schreiben.

In Bremen gibt es (ebenso wie in den anderen Bundesländern auch) ein Tarifregister. Dort kann man telefonisch (0421 361-2081) oder per Telefax (0421 361-10059) erfragen, ob ein Tarifvertrag allgemeinverbindlich ist bzw. ob es für das betroffene Arbeitsverhältnis allgemeinverbindlichen Tarifverträge gibt.
(eingestellt am 15.01.2020)