Tipps und Urteile 2020

Auf der Firmen-Facebook-Seite wurde das Foto eines Arbeitnehmers unerlaubt veröffentlicht: Schmerzensgeldanspruch!
(Arbeitsgericht Lübeck, Beschluss vom 20.06.2019, Aktenzeichen 1 Ca 538/19)(Arbeitsgericht Lübeck, Beschluss vom 20.06.2019, Aktenzeichen 1 Ca 538/19)

Hier geht es nicht um ein Urteil, sondern um einen Beschluss zu Prozesskostenhilfe.
Der Arbeitnehmer war in einer Pflegeeinrichtung, die die Arbeitgeberin unterhielt, vom 15.06.2018 bis zum 09.10.2018 beschäftigt.
Mitte August 2018 gab der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin die schriftliche Zustimmung, einen Aushang, der das Foto des Arbeitnehmers aus seinen Bewerbungsunterlagen enthielt, in Altenpflegeschulen auszuhängen. Unzutreffend wurde das Bild untertitelt damit, dass der Arbeitnehmer Pflegedienstleiter in der Einrichtung sei.
Solche Aushänge tätigte die Arbeitgeberin dann auch. Außerdem veröffentlichte sie das Foto mit der unzutreffenden Untertitelung am 12.08.2018 auch auf ihrer Facebook-Seite und auf ihrer Homepage.
Am 16.09.2018 schrieb der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin in einer E-Mail:
„Sollte ich den Arbeitsvertrag bis Mittwoch nicht per Mail erhalten haben, so darf ich Sie bitten, mein Foto von der Webseite mit der Bezeichnung Pflegedienstleitung zu nehmen auch die Patienten bis Freitag, den 21.09.2018 darüber in Kenntnis zu setzen, dass es sich um einen Irrtum handelt oder was auch immer sie angeben wollen.
Ich möchte nicht, dass in der Öffentlichkeit mit meiner Person in irgend einer Weise geworben wird, die nicht den Tatsachen entspricht“.

Die Antragsgegnerin entfernte das Bild von ihrer Homepage. Aber auf der Facebook-Seite befand sich das Bild noch am 24.10.2018. Auf das Schreiben seines Rechtsanwalts hin entfernte die Arbeitgeberin das Bild auch dort.
Der Anwalt machte für den Arbeitnehmer auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der unerlaubten Veröffentlichung des Bildes in Facebook geltend. Verlangt wurden 3500,00 €.
Das Arbeitsgericht Lübeck bewilligte dem Arbeitnehmer Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1000,00 €.

Die Anspruchsgrundlage ist Art. 82 Absatz 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Eine Einwilligung des Arbeitnehmers gemäß Art. 6 Absatz 1a) der DSGVO und § 26 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) lag nicht vor. Auch, so das Arbeitsgericht Lübeck, sei nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer entsprechend § 26 Abs. 2 BDSG über den Zweck der Datenverarbeitung und über sein Widerrufsrecht nach Art. 7 DSGVO aufgeklärt habe.
Auch weitere Erlaubnistatbestände, die die Arbeitgeberin zur Veröffentlichung des Fotos in Facebook berechtigten, konnte das Arbeitsgericht nicht erkennen. Die Veröffentlichung von Mitarbeiter Fotos in sozialen Netzwerken sei grundsätzlich nicht durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers gedeckt.

Das Schmerzensgeld sah das Arbeitsgericht mit höchstens 1000,00 € als angemessen an. Daher wurde Prozesskostenhilfe nur für die Geltendmachung eines Schmerzensgeldes in dieser Höhe bewilligt. Das Arbeitsgericht Lübeck verwies auf Fachliteratur und Rechtsprechung, derzufolge die Höhe des Schmerzensgeld von „der Intensität, (…) von der Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelns sowie dem Grad seines Verschuldens und der Qualität des geschützten Bereichs“ abhängt (Arbeitsgericht Lübeck, juris Rn. 33). Es zitiert Rechtsprechung aus den Jahren 2010-2013, mit der Schmerzensgelder für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zwischen 0,00 € und 60.000,00 € zugesprochen wurden.
Als einen für die Bemessung des Schmerzensgeldes im vorliegenden Fall wesentlichen Gesichtspunkt sah das Arbeitsgericht an, dass der Arbeitnehmer einem identischen Aushang an Altenpflegeschulen mit E-Mail vom 15.08.2018 zugestimmt hatte und diesen auch noch inhaltlich bearbeitet hatte.

Erläuterung / Bewertung
In diesem Verfahren ging es, wie eingangs erwähnt, um ein Prozesskostenhilfeverfahren. Um Prozesskostenhilfe erlangen zu können, muss der Antragsteller zum einen aufgrund seines Einkommens und Vermögens außerstande sein, die Prozesskosten aufzubringen. Zum anderen muss die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung „hinreichende Aussicht auf Erfolg“ bieten (§ 114 Abs. 1 ZPO). So hat das Gericht in seinem Beschluss nur eine vorläufige Einschätzung abgegeben.
Zweifelhaft ist, ob diese hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldanspruchs zutreffend ist. Denn das Gericht hat zur Höhe Rechtsprechung herangezogen, die aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der DSGVO stammt. Und die DSGVO fordert für Verstöße Sanktionen, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind (Art. 84 Abs. 1 Satz 2 und Art. 83 Abs. 9 Satz 2 DSGVO). Sie stellt daher eine „Zäsur“ dar, die nicht ignoriert werden kann (so Mauer, jurisPR-ArbR 3/2020, E.).
So dürfte sich zukünftig in der Rechtsprechung zur Höhe von Schmerzensgeldzahlungen wohl noch einiges bewegen.

Wenn es für das konkrete Arbeitsverhältnis erforderlich ist, kann das Einstellen von Arbeitnehmerdaten in das Internet zulässig sein, zum Beispiel wenn die Arbeitsaufgabe des Arbeitnehmers Außenkontakte (zu Kunden oder Sonstigen) sind. Dann müssen die Angaben auf das unbedingt Notwendige beschränkt werden. Fotos dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers eingestellt werden. (Franzen in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Aufl. München 2021, § 26 BDSG, Rn. 33) Ausnahmen sind denkbar bei Arbeitsverträgen mit Fotomodellen, Schauspielern, Berufssportlern und ähnlichen Akteurinnen (Mauer, a. a. O., C.).
(eingestellt am 15.12.2020)