Tipps und Urteile 2020

Menschenverachtende Äußerungen gegenüber Kollegen stellen einen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 02.11.2020, Aktenzeichen 1 BvR 2727/19).
Ein Arbeitnehmer, Betriebsratsmitglied, hatte in einer Betriebsratssitzung gegenüber einem anderen Betriebsratsmitglied, einem dunkelhäutigen Mann, während einer Diskussion im Betriebsrat mit „Ugah, Ugah“ und Affenlauten adressiert. Dies war später von dem Arbeitnehmer zwar bestritten worden, doch glaubten das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht ihm und den von ihm benannten Zeugen nicht.
Der so „angesprochene“ hatte selbst nicht zu dieser Eskalation beigetragen und ihn danach als „Stricher“ bezeichnet.

Nach dieser Beleidigung hatte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung beantragt und erhalten und daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob dagegen Kündigungsschutzklage. Er hatte weder vor dem Arbeitsgericht Köln (Aktenzeichen 18 Ca 7824/17) noch vor dem Landesarbeitsgericht Köln (Aktenzeichen 4 Sa 18/19), noch vor dem Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 2 AZN 824/19) Erfolg. In allen Instanzen wurde die Klage abgewiesen. Daraufhin wandte er sich an das Bundesverfassungsgericht mit dem Ziel, die vorangegangenen Urteile aufzuheben.

Vor dem Bundesverfassungsgericht berief er sich insbesondere auf die Meinungsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die Nichtannahme wurde begründet.

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit finde seine Grenze in den allgemeinen Gesetzen, so das Bundesverfassungsgericht. Grundrechtlich geschützt – also rechtlich zulässig – sind Werturteile, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind, auch wenn sie polemisch sind, die Ehre schmälern oder verletzend sind.

Im Normalfall muss eine Gewichtung der Beeinträchtigungen erfolgen. Persönliche Ehre einer Person und Meinungsfreiheit einer anderen Person müssen also gegeneinander abgewogen werden. „Auch überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik ist noch keine Schmähung, denn gerade Kritik darf auch grundlos, pointiert, polemisch und überspitzt ausfallen (…)“ (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, Rn. 13). Geht es aber darum, letztlich nur die Person gravierend zu verletzen, also kein Element der Stellungnahme mehr zu äußern, ist die Grenze der Meinungsfreiheit überschritten.

So liegt es bei einer vom Bundesverfassungsgericht sogenannten „Formalbeleidigung“. Sie liegt in „besonders krassen, aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwörtern“ (Rn. 14) bei denen es darum gehe, einen Menschen „unabhängig von sachlichen Anliegen herabzusetzen“. (Rn. 14)

Eine Abwägung muss nicht mehr erfolgen, wenn eine Äußerung die Menschenwürde verletzt. Diese wird durch Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz als unantastbar geschützt. Die Menschenwürde kann mit keinem Einzelgrundrecht abgewogen werden. Im Verhältnis zur Menschenwürde muss die Meinungsfreiheit stets zurücktreten. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben in ihren Urteilen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ausführlich begründet, dass es sich um menschenverachtende Diskriminierung handelte. Menschenverachtend sei es, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert und damit nicht als gleicher Mensch im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz anerkannt wird. Die Vorgerichte hätten die Äußerungen richtig als Formalbeleidigung gewertet.

Bewertung
Das Urteil bedarf eigentlich keines Kommentars. Eine ebenso wie die Entscheidungen der Vorinstanzen begrüßenswerte Entscheidung, besonders, wenn man daran denkt, was sich bisweilen in Fußballstadien ereignet hat. Wie müssen sich Menschen fühlen, die allein wegen ihrer Hautfarbe so „angesprochen“ werden?

(eingestellt am 01.12.2020)