Tipps und Urteile 2020

Kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsatz im Home Office und auch kein Anspruch auf Einsatz im Einzelbüro bei COVID-19- Ansteckungsgefahr? (Arbeitsgericht Augsburg, Urteil vom 07.05.2020, Aktenzeichen 3 Ga 9/20)
Der Kläger in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Augsburg ist von Beruf Jurist und 63 Jahre alt. Er legte bei der Arbeitgeberin ein ärztliches Attest vor, auf dessen Basis er den Einsatz im Home Office geltend machte. Da die Arbeitgeberin ihm den Einsatz im Home Office nicht gestattete, beantragte er eine einstweilige Verfügung. Diese war darauf gerichtet, dass die Arbeitgeberin verpflichtet werden sollte, ihm die Arbeit im Home Office zu gestatten, hilfsweise, ihm ein Einzelbüro in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin zuzuweisen. Das Arbeitsgericht Augsburg hat beide Anträge abgewiesen.

Die Arbeitgeberseite hatte erklärt, dass die Mitarbeiterin, mit der er sich ein Büro teilte, während der Zeiten seines Einsatzes in dem Büro dort nicht eingesetzt werde.

Das Arbeitsgericht verneinte grundsätzlich einen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Einsatz im Home Office. Das Arbeitsgericht prüfte insbesondere § 618 BGB. Danach hat der Arbeitgeber die Räumlichkeiten, die er dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellt, „… so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“ (§ 618 Abs. 1 BGB)
Daraus leitete das Arbeitsgericht her, dass ein Anspruch auf Einsatz im Home Office nicht bestehe.
Die Arbeitgeberin muss, so das Arbeitsgericht, notwendige und erforderliche Schutzmaßnahmen treffen. Welche Schutzmaßnahmen sie trifft, sei aber ihr überlassen. Daher bestehe auch kein Anspruch auf ein Einzelbüro. Das Arbeitsgericht wies ausdrücklich darauf hin, dass auch ein mit mehreren Arbeitnehmern besetztes Büro in Betracht komme, wenn die Arbeitgeberin geeignete Schutzvorkehrungen getroffen habe.

Bewertung:
Der vorliegende Sachverhalt gab einen Anspruch auf Einsatz im Home Office oder im Einzelbüro nach Auffassung des Arbeitsgerichts Augsburg nicht her. Der Arbeitnehmer hat Berufung beim Landesarbeitsgericht München eingelegt. Es bleibt abzuwarten, wie dort entschieden wird.
Im Einzelfall kann es nach meiner Auffassung mit Ansprüchen auf Einsatz im Home Office und auf Einsatz im Einzelbüro anders aussehen, nämlich dann, wenn eine hohe individuelle Infektionsgefahr und / oder besonders hohes Risikopotenzial bei einer Erkrankung bestehen. Denn aus § 241 Abs. 2 BGB ergibt sich eine besondere Rücksichtnahmepflicht der Parteien des Arbeitsvertrags untereinander:
„Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“ (§ 241 Abs. 2 BGB)
(eingestellt am 15.10.2020)