Tipps und Urteile 2018

Der Betriebsrat hat einen Anspruch auf uneingeschränkte Einsicht in die Bruttolohnlisten.
Die dem Betriebsrat zur Einsicht vorgelegten Listen dürfen nicht anonymisiert werden. Dieser Anspruch des Betriebsrats wird auch nicht durch die Bestimmungen des Entgelttransparenzgesetzes eingeschränkt. (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 19.09.2017, Aktenzeichen 7 TaBV 43/17)


Die Arbeitgeberin hatte dem Betriebsausschuss des Betriebsrates anonymisierte Bruttolohnlisten vorgelegt. Damit war der Betriebsrat nicht einverstanden und verlangte Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten unter anderem unter Bekanntgabe von Name und Vorname des jeweiligen Arbeitnehmers. Die Arbeitgeberin stellte jedoch nur anonymisierte Listen zur Verfügung. Sie argumentierte mit dem sich aus dem Datenschutzgesetz ergebenden Grundsatz der Datensparsamkeit, dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Beschäftigten und schließlich damit, dass durch das Entgelttransparenzgesetz vom 30.06.2017 die Weitergabe der Namen verboten werde.

Das Landesarbeitsgericht hat sich in der Entscheidung mit diesen Argumenten ausführlich auseinandergesetzt, sie jedoch als nicht tragfähig erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat auch auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 80 Betriebsverfassungsgesetz hingewiesen. In der gesetzlichen Vorschrift ist von Namen und Vornamen nicht die Rede. Aber das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 14.01.2014 (Aktenzeichen 1 ABR 54/12) darauf hingewiesen, dass sich die Erforderlichkeit der Namensnennung schon daraus ergibt, dass der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz darüber zu wachen hat, dass zugunsten der Arbeitnehmer bestehende Gesetze, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge durchgeführt werden. Auch benötigt der Betriebsrat diese Daten, um seine Aufgabe gemäß § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz („Gleichbehandlung“) zu erfüllen und zu prüfen, ob sich aus von dem Arbeitgeber eingeführten Vergütungsmechanismen ein Mitbestimmungsrecht im Sinne von § 87 Abs. 1 Nummer 10 Betriebsverfassungsgesetz ergibt. „Aus diesem Grunde“, so das Landesarbeitsgericht Hamm, „bedarf es auch keiner Darlegung eines besonderen Anlasses für die Ausübung des Einsichtsrechts im Hinblick auf die vereinbarten Vergütungen.“

Ein weiterer Aspekt dieses Falles war, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsausschuss die Einsicht in die Bruttolohnlisten nur in Gegenwart ihrer Personalmanagerin gewährt hatte. Da der Betriebsrat dazu keinen Antrag gestellt hatte, hat das Landesarbeitsgericht keine direkte Entscheidung zu der Frage getroffen, ob der Betriebsrat die Anwesenheit der Personalmanagerin dulden musste. Es hat aber auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hingewiesen (Beschluss vom 16.08.1995, 7 ABR 63/94). In dem genannten Beschluss hat das Bundesarbeitsgericht ein Anwesenheitsrecht eines Vertreters der Arbeitgeberseite bei der Einsichtnahme nicht direkt verneint. Der Betriebsablauf dürfe nicht durch die Einsichtnahme gestört werden. So könne beispielsweise eine Person, die in dem Raum arbeite, in dem die Listen aufbewahrt werden, auch während der Einsichtnahme in dem Raum verbleiben und dort arbeiten. Die Anwesenheit solcher Personen dürfe vom Arbeitgeber aber nicht für eine Überwachung genutzt werden. Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird in der Literatur vereinzelt kritisiert.

Tipp für Betriebsräte:
Die Entscheidung stärkt Betriebsräten den Rücken. Sie ist daher auch zu begrüßen. Betroffene Betriebsräte sollten sich mit anonymisierten Bruttolohnlisten nicht zufrieden geben. Sie sollten nicht nur Einsichtnahme, sondern auch die Übergabe der Listen bzw. den Zugang dazu über die Datenverarbeitung verlangen. (Ein Anspruch besteht letztlich nur auf Einsichtnahme, aber wer mehr verlangt, bekommt vielleicht auch mehr.) Aus dem selben Grund sollten Betriebsräte auch die Einsichtnahme ohne Anwesenheit von Personen, die nicht zum Betriebsratsgremium gehören, verlangen. Sollte es zum Streit vor Gericht kommen, empfehle ich, vor Gericht ebenfalls die Übergabe der Listen und die Einsichtnahme ohne Anwesenheit betriebsratsfremder Arbeitnehmer zu verlangen. Denn die oben skizzierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird in der Fachliteratur durchaus auch kritisiert. Hier könnten die Betriebsräte ja einmal ihrem Arbeitsgericht vor Ort „auf den Zahn fühlen“.
(eingestellt am 01.03.2018)