Tipps und Urteile 2018

Wird eine Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Kündigung wegen der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist. Diesen Beweis muss der Arbeitgeber entkräften. (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.03.2018, Aktenzeichen 10 Sa 01.05.2007/17)
Hier ging es nicht um die Frage, ob die Kündigung wirksam war, sondern um die Frage, ob der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz über das Ende der Kündigungsfrist hinaus zahlen musste.
§ 8 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes bestimmt nämlich, dass der Arbeitgeber dann, wenn er aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt, das Arbeitsentgelt weiterhin – also auch über das Ende der Kündigungsfrist hinaus – fortzahlen muss. Im vorliegenden Fall hat die Krankenkasse des Arbeitnehmers den Arbeitgeber verklagt. Diese musste nach Ende der Kündigungsfrist Krankengeld zahlen. Diese Leistung verlangte sie vom Arbeitgeber zurück.

Der Arbeitgeber betreibt einen Fuhrbetrieb mit einer eigenen Werkstatt. Der Arbeitnehmer war als Schlosser eingestellt. Das Arbeitsverhältnis hatte am 01.07.2016 begonnen. Es war eine Probezeit bis zum 30.09.2016 vereinbart worden. Am 14.07.2016 führte der Arbeitnehmer eine Reparatur an einer Bremse mangelhaft aus. Dies wurde vom TÜV bemängelt Er erkrankte arbeitsunfähig vom 18.07.2016 nach ärztlicher Bescheinigung bis voraussichtlich zum 25.07.2016. Am 26.07.2016 bescheinigte der Arzt erneut die Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 12.08.2016. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.07.2016 zum 10.08.2016.

Der Arbeitgeber verteidigte sich gegen die Zahlungsklage der Krankenkasse im Wesentlichen damit, er habe am 26.07.2016 noch gar nicht gewusst, dass der Arbeitnehmer weiterhin erkrankt sein würde. Außerdem habe er wegen der Schlechtleistung des Arbeitnehmers vom 14.07.2016 gekündigt. Die Tatsache, dass der Arbeitgeber wegen der Schlechtleistung vom 14.07.2016 erst 12 Tage später, nämlich am 26.07.2016, kündigte, erklärte der Arbeitgeber so: Er habe zuvor die Stelle 3 Jahre lang nicht besetzen können und händeringend Personal gesucht. Deshalb müsse man ihm vor der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine Überlegungsfrist zugestehen.

Diese Argumentation überzeugte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg nicht.
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, auf das sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg berief, muss der Arbeitgeber noch 3 Tage abwarten, ob der Arbeitnehmer ihm eine Fortsetzung der Arbeitsunfähigkeit anzeigt. Tut er das nicht, so wird er behandelt, als hätte er von der Erkrankung gewusst.

Außerdem konnte das Landesarbeitsgericht nicht nachvollziehen, warum der Arbeitgeber nun plötzlich am 26.07.2016 den Entschluss zur Kündigung gefasst hatte. Schließlich war die Schlechtleistung des Arbeitnehmers folgenlos geblieben und die Probezeit hätte noch länger als 2 Monate angedauert. Worüber der Arbeitgeber noch 12 Tage lang nachdenken wollte, konnte er dem Gericht nicht erklären. Ebenso wenig, welcher Gedanke nach 12 Tagen dann den Kündigungsentschluss herbeigeführt hat. Nachvollziehbarer wäre es gewesen, wenn der Arbeitgeber die Schlechtleistung des Arbeitnehmers beanstandet hätte und abgewartet hätte, wie die Leistungen des Arbeitnehmers während der Probezeit sich entwickelt hätte.

Der Arbeitgeber wurde also zum Ersatz des von der Krankenkasse gezahlten Krankengeldes verurteilt.

Erläuterung:
Wohl gemerkt, die Kündigung war hier wirksam. Wenn sie unwirksam gewesen wäre, wäre ja sowieso klar gewesen, dass der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung hätte leisten müssen. Die Kündigung dürfte in dem vorliegenden Fall schon deshalb wirksam gewesen sein, weil das Arbeitsverhältnis noch keine 6 Monate angedauert hatte. Denn erst nach Ablauf von 6 Monaten gilt das Kündigungsschutzgesetz.

Zweck der Regelung in § 8 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz ist, dass der Arbeitgeber sich nicht durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses seiner Pflicht zur Entgeltfortzahlung entziehen kann. Ein solches Verhalten geht zulasten der Sozialversicherung. Das wollte der Gesetzgeber verhindern. Außerdem soll der Arbeitnehmer davor bewahrt werden, noch während der Erkrankung einen anderen Arbeitsplatz suchen zu müssen.
(eingestellt am 15.06.2018)