Tipps und Urteile 2018

Kritik des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Darlegungs- und Beweislast bei Überstunden (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.06.2017, Aktenzeichen 15 Sa 66/17) – Tipps zur Geltendmachung von Überstundenbezahlung

Die Geltendmachung von Überstunden vor Gericht ist wegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dazu oft schwierig. Danach muss ein Arbeitnehmer nämlich in einem 1. Prüfungsschritt für jeden einzelnen Tag, für den er Überstundenvergütung verlangt, darlegen, von wann bis wann er gearbeitet hat. Er muss außerdem in einem 2. Prüfungsschritt darlegen, dass der Arbeitgeber die Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zuzurechnen sind. Vom Arbeitgeber veranlasst sind die Überstunden zum Beispiel, wenn sie angeordnet, gebilligt oder geduldet worden sind.

Das Landesarbeitsgericht führt aus, dass Überstundenklagen überwiegend deshalb erfolglos sind, weil Arbeitnehmer in dem 2. Prüfungsschritt häufig nicht darlegen können, dass die Überstunden von der Arbeitgeberseite geduldet worden sind. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Anforderung an den Vortrag des Arbeitnehmers damit begründet, dass der Arbeitgeber sich Überstunden nicht aufdrängen lassen müsse.
Auch nach meiner eigenen Erfahrung wird von der Arbeitgeberseite im Prozess häufig eingewandt, sie habe nichts davon gewusst, dass der Arbeitnehmer Überstunden leiste und die Überstunden seien auch nicht vom Arbeitgeber gefordert worden.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat „so nebenbei“ (d. h., in dem Urteil kam es darauf gar nicht an) die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts zum 2. Prüfungsschritt kritisiert mit dem Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber „Herr im eigenen Betrieb“ sei. Er könne mithilfe seiner Betriebshierarchie die von ihm nicht gewünschte Ableistung von Überstunden ganz einfach dadurch vermeiden, dass er Arbeitnehmer nach Ableistung der normalen Arbeitszeit nach Hause schicke. Wenn er das nicht tue, gebe er allein dadurch zu erkennen, dass ihm die Ableistung von Überstunden egal ist. Dann aber seien sie ihm zuzurechnen.

Tipps zur Geltendmachung von Überstundenbezahlung:
Das 1. Problem ist immer die vollständige Erfassung der Überstunden. Wenn von der Arbeitgeberseite Überstunden verlangt werden oder diese infolge des Ihnen zugeteilten Arbeitvolumens erforderlich werden (und Sie auch bereit sind, diese zu leisten), notieren Sie genau die Zeiten, innerhalb derer Sie die Überstunden abgeleistet haben. Vortrag wie „ich habe täglich mindestens 1,5 Überstunden geleistet“ hilft in der Regel nichts. Die Überstunden müssen genau nach Datum und Uhrzeit „auf die Minute“ vorgetragen werden. Das 2. Problem ist, nachzuweisen, dass die Überstunden von der Arbeitgeberseite angeordnet oder geduldet worden sind – siehe oben –. Lassen Sie sich von demjenigen in der Betriebshierarchie, der die Überstunden anordnet, deren Anordnung schriftlich bestätigen. Wenn das nicht möglich ist, notieren Sie sich, wer sie angeordnet hat, warum die Überstunden erforderlich waren, mit wem Sie zusammengearbeitet haben. Auch kann es helfen, wenn Kollegen, die gemeinsam Überstunden geleistet haben, sich die Arbeitszeiten und die Anordnung durch die Arbeitgeberseite gegenseitig schriftlich bestätigen.

Denken Sie auch an die tariflichen oder arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen. Es hilft Ihnen nichts, wenn Sie ein Jahr lang hervorragende Aufzeichnungen über die Überstunden führen, aber Ihr Arbeitsvertrag beispielsweise eine 3-monatige Ausschlussfrist für deren Geltendmachung vorsieht.
(eingestellt am 01.01.2018)