Tipps und Urteile 2018

Wann beginnt eine Ausschlussfrist zu laufen? (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.06.2018, Aktenzeichen 8 AZR 96/17)
Die Geschichte begann in einem Autohaus. Hier war der Arbeitnehmer als Autoverkäufer beschäftigt. Im von der Arbeitgeberin vorformulierten Arbeitsvertrag war eine Ausschlussklausel vereinbart. Nach dieser Klausel sollten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit, spätestens aber innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht worden sind.

Der Autoverkäufer hatte sich nicht entsprechend den Anweisungen der Arbeitgeberin verhalten. Die Arbeitgeberin hatte angewiesen, dass Fahrzeuge an Kunden erst nach vollständiger Bezahlung oder gesicherter Finanzierung herausgegeben werden durften. Im September 2014 überredete ein Kunde den Autoverkäufer, ihm das Fahrzeug für das kommende Wochenende zu überlassen. Der Kunde sagte zu, es am Montag wieder zurückzubringen. Dies Versprechen hielt der Kunde nicht ein. Die Arbeitgeberin erstattete noch im September 2014 eine Strafanzeige gegen den Kunden. Dieser wurde Ende Oktober 2014 in Italien festgenommen und das Fahrzeug wurde im November 2014 beschlagnahmt. Aber der Haftbefehl und die Beschlagnahme wurden später aufgehoben und das Fahrzeug wurde wieder an den Kunden herausgegeben. Die Rechtsanwälte der Arbeitgeberin nahmen im Februar 2015 Kontakt mit den Anwälten des Kunden auf. Die Verhandlungen über die Zahlung des Restkaufpreises blieben erfolglos. Außerdem hatte die Arbeitgeberin eine Detektei mit dem Ziel der Wiederbeschaffung des Fahrzeugs beauftragt. Im April / Mai 2015 teilte die Detektei der Arbeitgeberin mit, dass sie den Kunden nicht auffinden konnte. Am 20.08.2015 reichte die Arbeitgeberin eine Klage gegen den Kunden beim zuständigen Landgericht ein. Die Klage konnte jedoch nicht zugestellt werden, weil die Arbeitgeberin die korrekte Anschrift des Kunden nicht hatte.

Mit Schreiben vom 20.11.2015 forderte die Arbeitgeberin den Autoverkäufer auf, ihr gegenüber seine Verpflichtung zum Schadensersatz anzuerkennen. Dieser gab aber keine solche Erklärung ab. Die Arbeitgeberin erhob gegen den Autoverkäufer eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 29.191,61 €. Die Arbeitgeberin hatte in allen Instanzen keinen Erfolg. Begründung des Bundesarbeitsgerichts: die 3-monatige Ausschlussfrist hat spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, als die Arbeitgeberin sich entschlossen hatte, eine Klage gegen den Kunden zu erheben, also vor dem 20.08.2015. Damit hat das Schreiben der Arbeitgeberin die Ausschlussfrist nicht gewahrt.

Mit der Frage, ob der Autoverkäufer mit der Herausgabe des Fahrzeugs seine Vertragspflichten verletzt hatte, hat das Bundesarbeitsgericht sich gar nicht mehr auseinandergesetzt.

Erläuterung:
Ausschlussklauseln sind in der Regel so formuliert, dass sie mit der Fälligkeit eines Anspruchs beginnen, mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder mit der Ablehnung eines Anspruches durch eine Partei (letzteres üblicherweise in sogenannten 2-stufigen Ausschlussfristen). Schadensersatzansprüche werden nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fällig, wenn der Gläubiger wenigstens die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Ein Schadenersatzanspruch wird fällig, sobald er in seinem Bestand erkennbar ist und geltend gemacht werden kann. Als die Arbeitgeberin sich zur Klageerhebung entschloss, war erkennbar, dass sie keine realistische Chance haben würde, ihren Anspruch auf den Kaufpreis gegen den Kunden durchzusetzen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war auch erkennbar, dass ein Schadenersatzanspruch gegen den Autoverkäufer bestehen konnte.
(eingestellt am 30.10.2018)