Tipps und Urteile 2017

Darf man lügen, wenn man beim Bewerbungsgespräch nach einer Schwangerschaft gefragt wird?

Ja, man darf! Und man sollte es auch tun!

Diese Frage habe ich in letzter Zeit interessehalber Mandantinnen und Mandanten gestellt. Die Antworten waren unterschiedlich. Viele waren überrascht, zu hören, dass es zu dieser Frage ein Recht auf Lüge gibt. Teilweise gab es sogar die Vermutung, dass eine schwangere Arbeitnehmerin von sich aus die Schwangerschaft offenbaren müsse.

Richtig ist:
Voraussetzung für die Zulässigkeit von Fragen des Arbeitgebers ist nach der Rechtsprechung ein billigenswertes, schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Beantwortung der Fragen, die er stellt. Dies Arbeitgeberinteresse muss aber mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer abgewogen werden (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2014, 2 AZR 1071/12).
Die Benachteiligung einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers wegen des Geschlechts ist nach § 1 AGG verboten. Eine Nichteinstellung wegen einer Schwangerschaft wäre eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts.
Wie die Bewerbung ausgeht, wenn die Arbeitnehmerin im Bewerbungsgespräch den Personalreferenten darauf hinweist, dass seine Frage unzulässig sei, kann man sich vorstellen. Deshalb gesteht die Rechtsprechung der Arbeitnehmerin bei einer solchen Frage ein Recht auf Lüge zu (BAG Urteil vom 06.02.2003, 2 AZR 621/01). Nur durch die Lüge lässt sich der Anspruch auf benachteiligungsfreie Behandlung durchsetzen.

Es gibt eine reichhaltige Rechtsprechung zu dem Recht auf Lüge. Ein solches Recht besteht beispielsweise auch bei der Frage nach Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, der Frage nach Religions- und Parteizugehörigkeit, der Höhe der bisherigen Vergütung des Arbeitnehmers, der Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft. Eine Behinderung darf bei der Bewerbung nur gefragt werden, soweit die Behinderung die Eignung des Bewerbers für die vorgesehene Tätigkeit beeinträchtigt.
(eingestellt am 04.09..2017)