Tipps und Urteile 2017

Wie weit rückwirkend darf der Arbeitgeber Lohnsteuer nachberechnen?
(BAG, Urteil vom 12.12.2016, Aktenzeichen 5 AZR 266/16)

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber nach ca. 4 ¼ Jahren gemerkt, dass er den geldwerten Vorteil für die private Nutzung des Dienstfahrzeugs auf Basis der sogenannten 1%-Regelung fehlerhaft versteuert hatte. Sie nahm daher im April 2015 eine Neuberechnung des in den vorangegangenen 4 ¼ Jahren durch die private Nutzung des Dienstwagens gewährten geldwerten Vorteils vor. Es ergab sich ein zu versteuernder Betrag in Höhe von fast 26.000 €. Der Arbeitgeber errechnete daraus in den Gehaltsabrechnungen Mai und Juni 2015 eine Lohnsteuer, die dazu führte, dass der Arbeitnehmer für diese Monate nichts ausgezahlt erhielt.

Der Arbeitnehmer klagte die Vergütung für die Monate Mai und Juni 2015 ein. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung anschaulich die Rechtsbeziehungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zueinander sowie von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zum Fiskus dargestellt. Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Bruttolohn. Die Einkommensteuer daraus schuldet der Arbeitnehmer dem Fiskus. Der Arbeitgeber ist aber (nach dem Einkommensteuergesetz) dem Fiskus gegenüber verpflichtet, die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten. Wenn der Arbeitgeber entsprechend den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften die von ihm einzubehaltende Lohnsteuer beim Finanzamt angemeldet und sie nach dorthin abgeführt hat, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seinen Anspruch (also einen Teil seines Bruttovergütungsanspruchs) in Höhe der Steuerschuld gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Das Einkommensteuergesetz erlaubt dem Arbeitgeber eine Rückrechnung nur unter besonderen Voraussetzungen und nur für den Vormonat (§ 42d Abs. 1 Nummer 1 Einkommensteuergesetz). Eine Rückrechnung in der Weise, dass einfach eine neue Abrechnung mit einer Nachberechnung der Steuerschuld für mehrere Jahre erteilt wird und die Steuerschuld vom Bruttolohn direkt an das Finanzamt so beglichen wird, dass im Extremfall gar kein Nettolohn mehr übrig bleibt, ist demnach rechtlich unzulässig.

Hinweis:

  • Es besteht ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers
    Aus dem Urteil ist nicht zu folgern, dass der Arbeitgeber von ihm nachträglich an das Finanzamt abgeführte Steuern nicht mehr von dem Arbeitnehmer zurückfordern kann. Der Arbeitgeber ist für die Abführung der Steuer, die eigentlich vom Arbeitnehmer geschuldet ist, an das Finanzamt zuständig (§ 38 Abs. 3 Einkommensteuergesetz). Er haftet neben dem Arbeitnehmer für die Steuerschuld des Arbeitnehmers (§ 42d Abs. 3 EStG). Der Arbeitgeber kann aufgrund von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem Arbeitnehmer Steuern, die er für diesen nachträglich abführen muss, zurückfordern. Allerdings gelten dann die allgemeinen Regelungen der Aufrechnung. So müsste der Arbeitgeber die für den Arbeitnehmer geltenden Pfändungsfreigrenzen bei einer Aufrechnung beachten. Der Arbeitnehmer könnte sich in einem solchen Fall auch auf möglicherweise bestehende tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen berufen.
  • Vom Arbeitgeber in der Vergangenheit zu viel abgeführte Steuer muss mit steuerrechtlichen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden
    Nur soweit diese Änderungsbefugnis besteht, kann der Arbeitnehmer mit einer Vergütungsklage vor dem Arbeitsgericht geltend machen, dass dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Lohnsteuerabzugs eindeutig erkennbar gewesen sei, dass eine Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug in dieser Höhe nicht bestanden habe. Weitergehende unberechtigte Steuerabzüge muss der Arbeitnehmer mit steuerrechtlichen (also nicht: arbeitsrechtlichen) Rechtsbehelfen geltend machen.

(eingestellt am 01.12.2017)