Tipps und Urteile 2017

Die rechtskräftige Verurteilung eines Arbeitgebers auf einen Antrag des Betriebsrats gemäss § 104 BetrVG stellt ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz dar (BAG,Urteil vom 28.03.2017, Aktenzeichen 2 AZR 551/16).

Der Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin, über die das BAG hier entschieden hat, ging ein Antrag des Betriebsrats gemäss § 104 BetrVG voraus, in dem der Betriebsrat beantragt hatte, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Arbeitnehmerin wegen wiederholter oder ernstlicher Störung des Betriebsfriedens zu entlassen.
Das Arbeitsgericht hatte im Verfahren Betriebsrat gegen Arbeitgeberin dem Antrag des Betriebsrats entsprochen. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde rechtskräftig.
Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos und gleichzeitig fristgemäss. Die Arbeitnehmerin wehrte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage. Sie trug vor, es liege kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung vor. Auch liege kein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 für die fristgemässe Kündigung vor. Ausserdem sei auch der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz angehört worden.

Das Bundesarbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab.
Der konkrete Sachverhalt, aufgrund dessen der Betriebsrat die Entlassung der Arbeitnehmerin beantragt hatte, wurde in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr erörtert. Denn als Kündigungsgrund reichte es aus, dass das Arbeitsgericht im Verfahren Betriebsrat gegen Arbeitgeberin die Arbeitgeberin rechtskräftig verurteilt hatte, die Arbeitnehmerin zu entlassen.
Diese rechtskräftige Verurteilung stellt ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz dar.
Wenn ein Betriebsrat selbst vor Gericht die Entlassung einer Arbeitnehmerin erstritten hat, braucht er vor Ausspruch dieser Kündigung auch nicht mehr gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz gehört werden.

Ergänzende Information:
§ 104 BetrVG in Verbindung mit § 75 BetrVG verpflichtet den Betriebsrat, darauf zu achten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer  nach „ …den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.“ Wenn ein Arbeitnehmer gegen diese Grundsätze verstößt, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Entlassung des Arbeitnehmers verlangen.
(eingestellt am 19.08.2017)