Tipps und Urteile 2016

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz und 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz bestehen nebeneinander
(Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.11.2015, 6 TaBV 4/15)

Das Verfahren wurde von dem Betriebsrat einer Niederlassung der Post mit 4000 Arbeitnehmern (2800 im Bereich der Zustellung und 1200 im Bereich der Brief- und Paketzentren) eingeleitet. Es wurden dort in der Vorweihnachtszeit ca. 400 Arbeitnehmer befristet eingestellt, ebenso in der Sommerzeit (wegen der dann entstehenden urlaubsbedingten Ausfälle).
Die Arbeitgeberin beteiligte den Betriebsrat wegen der Einstellungen gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz, nicht jedoch wegen der Zuordnung der einzelnen neu eingestellten Arbeitnehmer zu den Dienstplänen. Sie vertrat die Auffassung, mit der Einholung der Zustimmung des Betriebsrats zu den Einstellungen würde sie die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausreichend beachten. 

Das Arbeitsgericht Stuttgart und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg haben das anders gesehen. Der Betriebsrat ist sowohl gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz als auch gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz zu beteiligen. Er hat also auch darüber mitzubestimmen, wenn neu eingestellte Mitarbeiter bestehenden Dienstplänen zugeordnet werden sollen oder falls Sie außerhalb von bestehenden Dienstplänen eingesetzt werden sollen.
Zum Inhalt des Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz stellte das Landesarbeitsgericht klarstellend fest, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht nur die Frage umfasse, ob im Betrieb in mehreren Schichten gearbeitet werden soll, sondern auch die Frage der Festlegung der zeitlichen Lage der einzelnen Schichten und die Abgrenzung des Personenkreises, der Schichtarbeit leisten muss. Mitbestimmungspflichtig sei auch der Schichtplan und dessen nähere Ausgestaltung bis hin zur Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Schichten. 

Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte der Arbeitgeberin durch einstweilige Verfügung (sinngemäß, R.-C. B.) aufgegeben, es zu unterlassen, die eingestellten Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung einzusetzen, solange der Betriebsrat nicht sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz ausgeübt hat. Diesen Beschluss hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg bestätigt. 

Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts ist nicht rechtskräftig. Es wurde von der Arbeitgeberin Rechtsbeschwerde eingelegt.
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil nach seiner Auffassung die Rechtsfrage des Verhältnisses der Mitbestimmungstatbestände der §§ 99 und 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz bei Neueinstellungen grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsbeschwerde ist unter dem Az. 1 ABR 5/16 beim Bundesarbeitsgericht anhängig.