Tipps und Urteile 2015

Muss der Arbeitgeber notfalls einen leidensgerechten Arbeitsplatz für einen schwerbehinderten Arbeitnehmer freikündigen?
Welche Auswirkung hat es auf den Kündigungsschutz, wenn der Arbeitgeber betriebliche Ursachen der Erkrankung verschuldet hat?
( Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.11.2014, 2 AZR 664/13) 

Zu diesen Fragen hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20.11.2014 Stellung genommen.

  • Der Arbeitgeber, so das Bundesarbeitsgericht, ist nicht verpflichtet, für einen erkrankten Arbeitnehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz „freizukündigen“. Das gilt auch für einen schwerbehinderten Arbeitnehmer, wenn der betroffene Stelleninhaber seinerseits Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießt.
    Nach Auffassung des Gerichts könnte eine „Pflicht zur Freikündigung“ allenfalls in dem Fall in Betracht kommen, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer darlegen und beweisen kann, dass der betroffene Stelleninhaber seinerseits nicht behindert ist und für diesen die Kündigung keine besondere Härte darstellt. Der Arbeitnehmer trägt dafür die Darlegungs- und Beweislast.
  • Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung auch zu der Frage Stellung genommen, welche Rolle es bei einer krankheitsbedingten Kündigung spielen kann, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber verschuldet ist.
    Bei krankheitsbedingten Kündigungen muss, das ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, eine Interessenabwägung zu dem Ergebnis führen, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen. Der Arbeitgeber, so das Bundesarbeitsgericht in der vorliegenden Entscheidung, muss eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen eher in Kauf nehmen, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen. Die Pflicht zur Inkaufnahme der Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen ist umso stärker, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Erkrankung geführt haben, verschuldet hat.
    Wenn aber der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit der Arbeitsfähigkeit des langzeiterkrankten Arbeitnehmers planen könne, könne, so das Bundesarbeitsgericht, das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst dann als überwiegend angesehen werden, wenn die Erkrankung auf betriebliche Ursachen zurückgeht.

Dies ist eine insgesamt sehr interessante und lehrreiche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, weil darin lehrbuchartig die Grundsätze des Kündigungsschutzes bei krankheitsbedingter Kündigung, die Grundsätze und Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie die Folgen der Unterlassung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement dargelegt werden.
Sie ist über die Homepage des Bundesarbeitsgerichts abrufbar.