Tipps und Urteile 2019

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist vererblich: Wenn ein Arbeitnehmer verstirbt und vor seinem Tod noch nicht sämtlichen ihm zustehenden Urlaub genommen hat, besteht ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.01.2019, Aktenzeichen 9 AZR 45/16)
Hier haben die Erben des Arbeitnehmers den Arbeitgeber, eine Behörde, verklagt. Dem verstorbenen Arbeitnehmer (Erblasser) standen bis zu seinem Tod am 20.12.2010 noch 25 Urlaubstage zu. Dieser Urlaubsanspruch setzte sich zusammen aus: dem gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz, dem sich aus dem einschlägigen TVöD ergebenden Mehrurlaubsanspruch und dem Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte früher entschieden, dass Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers mit dem Tod des Arbeitnehmers untergingen. Vor der Entscheidung in dem vorliegenden Fall hat es den Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH) um Vorabentscheidung ersucht, ob sich aus der einschlägigen EU-Richtlinie bzw. der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ein Anspruch der Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers auf einen finanziellen Ausgleich für den vor dem Tod zustehenden Jahresurlaub ergibt. Der EUGH hatte dies bejaht.

Wesentlicher Inhalt der Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht hat basierend darauf für alle 3 Arten von Urlaubsansprüchen festgestellt, dass diese vererblich sind.

Der gesetzliche Mindesturlaub ist unabdingbar (§ 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz). Arbeitgeber und Arbeitnehmer können also vertraglich nicht vereinbaren, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch im Fall des Todes des Arbeitnehmers untergeht. Das kann auch keine Gewerkschaft. Dasselbe gilt für den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gemäß § 208 SGB IX (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 13.12.2019, Aktenzeichen 9 AZR 399/10).
Der Mehrurlaubsanspruch aus dem Tarifvertrag wäre allerdings abdingbar. Im hier entschiedenen Fall haben die Parteien des Tarifvertrages aber keine Regelung getroffen, die für den tariflichen Mehrurlaub eine von der gesetzlichen Regelung für Mindesturlaub und Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen abweichende Regelung traf.

In individuellen Arbeitsverträgen werden auch häufig Mehrurlaubsansprüche vereinbart. Aus der Entscheidung ist zwanglos herzuleiten, dass für diese auch abweichende Regelungen getroffen und diese von einer Vererblichkeit ausgenommen werden könnten.

Tipp:
Mir ist kein Tarifvertrag bekannt, in dem eine Regelung über die Vererblichkeit von Urlaubsabgeltungsansprüchen getroffen wäre. Auch in Arbeitsverträgen habe ich solche Regelungen noch nie gesehen. So kann man jedenfalls gegenwärtig davon ausgehen, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub, der Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen, tarifvertraglicher Mehrurlaub und individualvertraglich vereinbarter Mehrurlaub vererblich sind.

(Eingestellt am 01.08.2019)