Tipps und Urteile 2019

Kann ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, um seinen Urlaubsabgeltungsanspruch zu retten? (Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 22.11.2018, Az. 5 Ca 1305/18)
Ein Arbeitnehmer war seit 2015 erkrankt. Er erhielt seit dem 01.01.2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Für die Kündigung durch den Arbeitnehmer galt nach übereinstimmendem Vortrag von Arbeitgeber und Arbeitnehmer am 15.03.2019 eine Kündigungsfrist bis zum 15.04.2018. Der Arbeitnehmer kündigte am 15.03.2018 aber fristlos.
In dem Prozess vor dem Arbeitsgericht Siegburg ging es um Urlaubsabgeltung, die der Arbeitnehmer geltend machte, unter anderem für Urlaub aus dem Jahr 2016. Diesen hatte er wegen seiner Erkrankung nicht nehmen können. (Daneben ging es auch um Urlaubsabgeltung für die Jahre 2017 und 2018. )
Grund der fristlosen Kündigung: Der Arbeitnehmer wollte seinen Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2016 „retten“. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 Abs 3 BurlG, die auf Rechtspechung des Europäischen Gerichtshofs zurückgeht, verfällt der Urlaub, der wegen Krankheit nicht genommen werden kann, innerhalb von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres. Der Urlaub des Jahres 2016 drohte also am 31.03.2018 zu verfallen. Mit der vorherigen fristlosen Kündigung wollte der Arbeitnehmer also einen Abgeltunsanspruch erreichen.
Das Arbeitsgericht Siegburg erkannte dies Interesse nicht als Kündigungsgrund an. § 626 BGB gebe den Parteien des Arbeitsvertrages das Recht, ein unzumutbares Arbeitsverhältnis fristlos beenden zu können. Allein die Tatsache, dass der Arbeitnehmer ca. 3000,00 € weniger erhalte, wenn er fristgemäss kündige, stelle keine unzumutbare Belastung des Arbeitnehmers dar. Eine unzumutbare Belastung sei schon deshalb nicht zu erkennen, weil der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis auch durch eine früher ausgesprochene Kündigung vor dem 31.03.2019 hätte beenden können. Auch die Kürze der Frist für die fristgemässe Kündigung spricht nach Auffassung des Arbeitsgericht Siegburg gegen eine unzumutbare Belastung des Arbeitnehmers. Das Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Tipp: Dass Urlaub, der wegen Krankheit nicht genommen werden kann, nach 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres verfällt, ist vielen Arbeitnehmern noch immer nicht bekannt. § 7 Abs. 3 BUrlG bestimmt nach seinem Wortlaut, dass nicht genommener Urlaub bereits jeweils im Folgejahr mit Ablauf des 31.03. verfällt. Infolge einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes muss diese Vorschrift aber europarechtskonform ausgelegt werden. Deshalb hat das BAG aus der Dreimontsfrist in § 7 Abs. 3 BUrlG eine 15-Monatsfrist „gemacht“ (BAG, Urteil vom 24.03.2009, Aktenzeichen 9 AZR 983/07 und Urteil vom 07.08.2012, Aktenzeichen 9 AZR 353/10). Wird man innerhalb dieser Frist wieder gesund, muss man den Urlaub nehmen, damit er nicht verfällt. So kann es sich gegebenenfalls auch empfehlen, gleich nach Ende einer Erkrankung den Urlaub des Vorjahres bezw. Vor- Vorjahres zu beantragen.

(Eingestellt am 15.02.2019)