Tipps und Urteile 2019
Der Name von schwangeren Mitarbeiterinnen ist dem Betriebsrat vom Arbeitgeber mitzuteilen. (Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 27.09.2017, Aktenzeichen 11 TaBV 36/17)
Die Arbeitgeberin hatte im vorliegenden Fall ihre Informationspraxis gegenüber dem Betriebsrat seit Mitte 2015 geändert. Während vorher der Betriebsrat über den Namen der schwangeren Mitarbeiterin informiert worden war, erhielt jetzt eine schwangere Mitarbeiterin, wenn sie sich bei der Personalabteilung gemeldet hatte, ein Schreiben, das folgenden Satz enthielt:
„Sollten wir bis (2-Wochen-Frist) von Ihnen keine Rückmeldung erhalten, werden wir den Betriebsrat über Ihre Schwangerschaft und die damit verbundenen Mutter-Schutzfristen informieren.“ Zeitgleich mit dem vorgenannten Brief übersandte die Arbeitgeberin eine vorausgefüllte Gefährdungsbeurteilung an die Führungskraft. Die Gefährdungsbeurteilung wurde dann durch die Führungskraft vorgenommen bzw. überwachte sie deren Vorname und zog bei Bedarf auch den Werksarzt heran.
Wenn kein Widerspruch eingegangen war, so wurden der Betriebsrat, der Werksarzt, das Gewerbeaufsichtsamt und der zuständige Personalreferent über das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und die Mutterschutzfristen schriftlich informiert. War ein Widerspruch eingegangen, so wurden alle Vorgenannten, aber nicht der Betriebsrat informiert.
Der Betriebsrat machte hier geltend, dass ihm das Recht zustehe, den Namen der Mitarbeiterin konkret zu erfahren.
Von Arbeitgeberseite wurde die Auffassung vertreten, die generelle Information des Betriebsrats verstoße gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin. Auch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes würden einer Weitergabe des Namens an den Betriebsrat widersprechen. Die Schwangere werde ausreichend durch die Mitteilung an das Gewerbeaufsichtsamt geschützt. Das Gewerbeaufsichtsamt habe umfangreiche Befugnisse, die eine ausreichende Überwachung der Rechte der Schwangeren Mitarbeiterin gewährleisten würden.
Der Betriebsrat beantragte beim Arbeitsgericht München, die Arbeitgeberin zu verurteilen, ihn über alle Fälle von Schwangerschaften unter Bekanntgabe des Namens zu unterrichten, auch wenn die betroffene Arbeitnehmerin der Weitergabe ihres Namens an den Betriebsrat widersprochen habe.
Das Arbeitsgericht München gab dem Betriebsrat recht, ebenso das Landesarbeitsgericht München.
Beide Gerichte argumentierten mit den generellen Schutzaufgaben des Betriebsrats. So hat dieser gemäß § 80 Abs. 1 Nummer 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen ist der Betriebsrat zur Durchführung dieser Aufgaben rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nach Verlangen die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen.
Eine weitere Anspruchsgrundlage für den Betriebsrat sei § 89 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat bei der Bekämpfung unter anderem von Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen. Daraus haben die Gerichte gefolgert, dass das Gesetz sich nicht allein darauf verlässt, dass die Aufsichtsbehörden die Einhaltung von zu Gunsten von Schwangeren geltenden Vorschriften überwachen. Sondern auch umgekehrt können Anregungen vom Betriebsrat ausgehen. Und nicht nur das, der Betriebsrat ist auch verpflichtet, diese Stellen zu unterstützen. Praxisnah stellten die Gerichte fest, dass die Aufsichtsbehörden nicht die Einsichts- und Erkenntnismöglichkeiten haben, die einem Betriebsrat möglich sind.
Eine Mitarbeiterin dürfe ihrerseits durch ihren Widerspruch nicht über Betriebsratsrechte disponieren.
Das von der Arbeitgeberin angeführte allgemeine Persönlichkeitsrecht einer schwangeren Mitarbeiterin, das grundsätzlich ihr Recht schützt, selbst darüber zu entscheiden, welche Informationen über sie an die Öffentlichkeit gelangen, sei nicht schrankenlos. Das Persönlichkeitsrecht sei abzuwägen gegen die Interessen, die in den §§ 80 und 89 BetrVG zum Ausdruck gebracht werden. Einschränkungen von Rechten müssten geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein, um den angestrebten Zweck – den man hier wohl mit dem Schutz der Gesundheit der Mutter und des Kindes zusammenfassen kann – zu erreichen. Dieses Kriterium sahen die Gerichte im vorliegenden Fall als erfüllt.
Auch das Bundesdatenschutzgesetz stünde der Mitteilung des Namens an den Betriebsrat nicht entgegen. Zum einen sei der Betriebsrat kein Dritter im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes, zum anderen sei er gemäß § 79 BetrVG zum Schweigen verpflichtet, eine Verpflichtung, deren Verletzung in § 120 BetrVG sogar mit Strafe bedroht wird.
Bewertung: Gemäß § 10 des Mutterschutzgesetzes muss der Arbeitgeber generell für jeden Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen, bei der zu ermitteln ist, ob für eine schwangere oder stillende Frau oder für ihr Kind Schutzmaßnahmen erforderlich sein werden, eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen erforderlich sein wird oder eine Fortführung der Tätigkeit der Frau an diesem Arbeitsplatz nicht möglich sein wird.
Sobald eine Frau den Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft informiert hat, muss noch einmal individuell festgelegt werden, welche Schutzmaßnahmen ganz individuell in diesem Fall erforderlich sind. Insbesondere die Einhaltung dieser Vorschrift ist vom Betriebsrat zu überwachen. Und nicht nur passiv zu überwachen – wenn der Betriebsrat es für erforderlich hält, muss er auch gemäß § 87 Abs. 1 Nummer 7 BetrVG initiativ werden.
Diese Aufgabe kann der Betriebsrat nur erfüllen, wenn er konkret den Arbeitsplatz und die betroffene Person kennt. Aus § 26 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz ist zu entnehmen, dass die Weitergabe des Namens an den Betriebsrat datenschutzrechtlich zulässig ist, denn damit erfüllt der Arbeitgeber Pflichten aus dem BetrVG.
(Eingestellt am 01.09.2019)