Tipps und Urteile 2019

Wird ein Arbeitnehmer in das Ausland entsendet, so sind die erforderlichen Reisezeiten als Arbeitszeit zu vergüten. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2018, Aktenzeichen 5 AZR 553/17)
In diesem Fall wurde ein technischer Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der verpflichtet war, auf Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten, nach China entsandt. Er verlangte die Bezahlung der Zeit, die er für die An- und Abreise benötigt hatte. Sein Arbeitsvertrag enthielt keine Regelung darüber, ob Reisezeiten zu vergüten waren. Eine Besonderheit war hier noch, dass der Arbeitnehmer auf seinen Wunsch einen 1.-Klasse-Flug gebucht hatte. Dieser sah eine Zwischenlandung mit einem Aufenthalt in Dubai vor. Mit einem Economy-Class-Flug, der durchgehend gewesen wäre, hätte die Reise kürzer gedauert.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass grundsätzlich die Zeit, die der Arbeitnehmer für die Reise aufwendet, Arbeitszeit ist. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient.“, so das Bundesarbeitsgericht. Reisen in das Ausland sind demnach Arbeit im vergütungsrechtlichen Sinn, wenn sie ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen. So war es im vorliegenden Fall.

Das Bundesarbeitsgericht hat auch noch einmal auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen, nach der es nicht darauf ankommt, ob es sich bei Reisezeiten um Arbeitszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes handelt oder nicht. „…die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit im Sinne des gesetzlichen Arbeitsschutzrechtes führt nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht, wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss …“.

Für die Zeit, die der Arbeitnehmer zusätzlich unterwegs war, weil durch den Flug in der 1. Klasse eine längere Reisezeit erforderlich war, kann der Arbeitnehmer keine Vergütung verlangen. Wegen der allgemeinen Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme aufeinander gemäß § 241 Abs. 2 BGB hätte der Arbeitnehmer den kostengünstigeren Reiseverlauf wählen müssen. Etwas anderes würde gelten, wenn dem Arbeitnehmer der Direktflug aus besonderen Gründen nicht zumutbar gewesen wäre. Dazu hatte er aber in dem Verfahren nichts vorgetragen.

Das Bundesarbeitsgericht hat auch noch darauf hingewiesen, dass für Reisezeiten durch Arbeitsvertrag oder durch Tarifvertrag vom Gesetz abweichende Regelungen getroffen werden könnten bis hin zum Ausschluss der Vergütung von Reisezeiten. Es dürfe aber nicht der Mindestlohn gemäß § 1 Abs. 1 Mindestlohngesetz unterschritten werden.

Hinweis: Man darf aus dieser Entscheidung nicht den Schluss ziehen, für Reisezeiten bestehe immer ein Anspruch auf Vergütung nach dem Mindestlohngesetz, auch wenn Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eine Vergütung der Reisezeiten ausschließen. Denn in anderen Urteilen hat das Bundesarbeitsgericht festgelegt, dass der Anspruch auf den Mindestlohn erfüllt ist, wenn die Bruttovergütung, die der Arbeitgeber für einen Kalendermonat zahlt, über dem Betrag liegt, der sich ergibt, wenn man die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden eines Monats mit dem Mindestlohn multipliziert (so Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2018, Aktenzeichen 5AZR 424/17, juris Rn. 31).
(Eingestellt am 15.11.2019)