Tipps und Urteile 2019

Streit um das Arbeitszeugnis: muss der Arbeitnehmer Rechtschreibfehler im Arbeitszeugnis hinnehmen? Muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Schlusssatz des Arbeitszeugnis für die geleistete Arbeit danken und ihm für die berufliche und private Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünschen? (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.04.2019, Aktenzeichen 2 Sa 187/18)
Vorgeschichte dieses Rechtsstreits war ein Rechtsstreit um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Der Kündigungsrechtsstreit endete durch Vergleich. Unter anderem wurde in diesem Vergleich vereinbart: „Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis zu erteilen und herauszugeben. Vorab wird die Beklagte ein gleichlautendes Zwischenzeugnis erteilen und herausgeben.“
Ca. 2 Wochen später übersandte der Kläger der Arbeitgeberin auf deren Verlangen hin eine Liste der von ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses ausgeübten Tätigkeiten. Diese Liste enthielt einige orthographische Schwächen.
Die Arbeitgeberin übernahm die Liste ohne Korrektur in das von ihr dem Arbeitnehmer erstellte Arbeitszeugnis.

Später beauftragte der Kläger seinen Rechtsanwalt in Bezug auf das Arbeitszeugnis. Dieser verlangte für den Kläger u. a. die Korrektur der orthographischen Fehler sowie die Aufnahme eines Schlusssatzes in das Arbeitszeugnis: „Wir danken ihm für die geleistete Arbeit und wünschen ihm für die weitere berufliche und private Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg.“
Die Arbeitgeberin weigerte sich, die orthographischen Fehler zu korrigieren. Argument: die unkorrigierte Übernahme des Textes des Klägers dokumentiere „am wahrheitsgetreuesten“ die Qualität der Arbeitsweise des Klägers.
Außerdem weigerte die Arbeitgeberin sich, die Schlussformel in das Arbeitszeugnis aufzunehmen.

Es wurde über eine Fülle von weiteren Einzelheiten gestritten. Hier sollen besonders 2 Punkte interessieren: die Rechtschreibfehler und die Schlussformel.
Zu den Schreibfehlern führte das Landesarbeitsgericht aus, dass grundsätzlich Schreibfehler in Zeugnistext von der Arbeitgeberin zu berichtigen seien, „… denn nur ein Zeugnis, dass nach den Regeln der deutschen Sprache zu Papier gebracht ist, kann den gesetzlichen Zeugnisanspruch erfüllen.“ Rechtschreibfehler würden Anlass zu der Vermutung geben, der Verfasser des Zeugnisses würde sich durch seine bewusste mangelhafte Sorgfalt von dem Inhalt des Zeugnisses distanzieren.
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern verurteilte die Arbeitgeberin, das Arbeitszeugnis um eine Dankes- und gute-Wünsche-Formel zu ergänzen. Begründung: die Verweigerung der Schlussformel berühre das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Wenn eine solche Formel nicht im Arbeitszeugnis enthalten sei, würde zukünftigen Lesern des Zeugnisses damit dokumentiert, dass die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer zum Schluss des Arbeitsverhältnisses nicht mehr den Respekt und die Wertschätzung entgegengebracht habe, die für ein gutes Gelingen des Arbeitsverhältnisses notwendig ist.
Die Dankes- und gute-Wünsche-Formel habe sich im Arbeitsleben mittlerweile weitgehend eingebürgert. Aus ihrem Fehlen würden in der Regel negative Schlüsse gezogen. Das Fehlen der Formel stelle eine gewissermaßen öffentlich dokumentierte Kränkung des Arbeitnehmers dar.
Wegen der großen Bedeutung, die das Arbeitszeugnis für die berufliche Zukunft des Arbeitnehmers habe, wiege das Interesse des Arbeitgebers, die Schlussformel nicht zu erteilen, weil er keinen Dank empfinde und keine guten Wünsche aussprechen möge, im Vergleich dazu gering.
Im konkreten Fall sei es zudem so gewesen, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer durch die Übernahme der orthographischen Fehler bei zukünftigen potentiellen Arbeitgebern habe bloßstellen wollen. Die persönliche Verärgerung über einen ehemaligen Mitarbeiter ist aber ein Interesse, dass durch das Gesetz nicht geschützt ist.

Bewertung / Tipp:
Ein Urteil, das auch für Fachleute sehr lesenswert ist, da es sich sehr sorgfältig mit dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung auseinandersetzt und auch auf die gegenwärtige – gegenüber der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung leicht geänderte – Rechtslage eingeht.
Es ist erstaunlich, welche Kraft, Arbeitszeit und finanziellen Mittel manche Arbeitgeber in einen Streit um ein Arbeitszeugnis zu investieren bereit sind. Diesem Rechtsstreit sieht man an, dass er sehr aufwendig, nervenaufreibend und mühsam gewesen ist. Das Urteil, das in einer Rechtsprechungssammlung (BeckRS) in recht kleinen Schrifttypen abgedruckt ist, umfasst 13 Seiten.

Wird ein gerichtlicher Vergleich zur Beendigung eines Kündigungsrechtsstreits abgeschlossen, sollte man immer in den Vergleich aufnehmen, mit welcher Note der Arbeitgeber in dem Arbeitszeugnis die Führung und die Leistung des Arbeitnehmers zu bewerten hat und dass eine Bedauerns-, Dankes- und gute-Wünsche-Formel in das Arbeitszeugnis aufzunehmen ist. Damit dürften viele Rechtsstreitigkeiten um ein Arbeitszeugnis zu vermeiden sein.
(eingestellt am 15.12.2019)