Tipps und Urteile 2019

Wenn ein Arbeitgeber einen Betriebsrat nicht gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz vor einer Einstellung eines Arbeitnehmers anhört, kann die fehlende Anhörung nicht während eines Gerichtsverfahrens, mit dem der Betriebsrat die Unwirksamkeit der Anhörung geltend macht, nachgeholt werden. (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.11.2018, Aktenzeichen 7 ABR 16/17

Die Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens hatte am 01.10.2015 einen „Branch Manager“ eingestellt. Sie ging davon aus, dass es sich um einen leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Betriebsverfassungsgesetz handeln würde und informierte deshalb den Betriebsrat nur gemäß § 105 Betriebsverfassungsgesetz.

Der Betriebsrat machte geltend, der Arbeitgeber hätte den Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz um die Zustimmung zur Einstellung bitten müssen. Deshalb beantragte er am 11.01.2016 beim Arbeitsgericht gemäß § 101 Betriebsverfassungsgesetz die Aufhebung der Einstellung.
Nach dem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht – also noch während des laufenden Gerichtsverfahrens - unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 22.02.2016 nach § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz über die Einstellung des Mitarbeiters und bat nachträglich um die Zustimmung des Betriebsrats zu der Einstellung.
In dem Anhörungsschreiben wurde ausgeführt, dass die Arbeitgeberin eigentlich davon ausgehe, dass es sich bei dem Mitarbeiter um einen leitenden Angestellten handele. Aber da der Betriebsrat sich auf den Standpunkt stelle, dass es sich bei diesem Mitarbeiter nicht um einen leitenden Angestellten handele, höre die Arbeitgeberin den Betriebsrat „höchst vorsorglich und unter Aufrechterhaltung unserer Rechtsauffassung zusätzlich gemäß § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz zur beabsichtigten Einstellung von Herrn N an.“ Es wurde in diesem Schreiben die rückwirkende Einstellung ab dem 01.10.2015 mitgeteilt.

Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 25.02.2016 mit, dass er der Einstellung nicht zustimme. Die Anhörung entbehre jeglicher Grundlage, weil die Arbeitgeberin weiterhin davon ausgehe, dass es sich bei dem neuen Mitarbeiter um einen leitenden Angestellten handele. Außerdem sei eine Unterrichtung gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz im Nachhinein unwirksam.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Betriebsrat recht. Es vertrat die Auffassung, dass eine Unterrichtung des Betriebsrats erst nach Beginn der tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr fristgerecht und daher nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz ist.

Eine Nachholung der Einholung der Zustimmung des Betriebsrats ist nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht möglich. Denn in dem Fall, dass eine Einholung der Zustimmung vollständig unterblieben ist, bleibt bei der nachträglichen Information des Betriebsrats die ursprüngliche Maßnahme aufrecht erhalten.
„Anderenfalls“, so das Bundesarbeitsgericht, „könnte der Arbeitgeber die Beteiligung des Betriebsrats unterlassen, die personelle Maßnahme durchführen, abwarten, ob der Betriebsrat von sich aus durch Einleitung eines Verfahrens nach § 101 Betriebsverfassungsgesetz initiativ wird und die Beteiligung dann nachholen, ohne die Maßnahme aufheben zu müssen. Damit würde das Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz faktisch auf ein Einspruchsrecht reduziert.“

Das Ziel von § 101 Betriebsverfassungsgesetz ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts aber, dem Betriebsrat eine Möglichkeit zu verschaffen, die ordnungsgemäße Durchführung seines Mitbestimmungsrechts gegenüber dem Arbeitgeber wirksam durchsetzen zu können.

Die Arbeitgeberin hätte die Möglichkeit gehabt, die Einstellung des Herrn M aufzuheben und dann erneut um die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung bitten können.

Bewertung / Tipp: Eine begrüßenswerte und richtige Entscheidung, die die Betriebsräte bei der Durchsetzung ihres Mitbestimmungsrechts stärkt. Betriebsräten ist anzuraten, sich solche groben Missachtungen seiner Mitbestimmungsrechte nicht gefallen zu lassen.

(Eingestellt am 15.09.2019)