Tipps und Urteile 2019

Das Sammeln von Pfandflaschen während der Arbeitszeit entgegen der Anweisung der Arbeitgeberin kann einen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. 8. 2018, Aktenzeichen 2 AZR 235/18)
Die Beklagte reinigt für die F AG ein Flughafengebäude. Die Klägerin war ich hier in Nachtschicht als Reinigungskraft tätig. In einem Informationsblatt an ihre Mitarbeiter hat die Beklagte ihren Mitarbeitern verboten, Pfandgegenstände zu sammeln. Sie hat ihre Arbeitnehmer angewiesen, herumstehende Pfandgegenstände im Müll zu entsorgen.

Die Klägerin hatte bereits im Jahr 2011 von der Beklagten eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Sammelns von Pfandflaschen erhalten. Dagegen hatte die Klägerin sich mit einer Kündigungsschutzklage gewehrt. Es kam vor dem Arbeitsgericht zum Abschluss eines Vergleichs, der zum Inhalt hatte, dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt wurde und es der Klägerin verboten war, Pfandflaschen zu sammeln.
Die Klägerin hielt sich nicht an Anweisungen und Vergleich. Sie sammelte Ende Januar 2014, Mitte April 2015, Ende Oktober 2015 und Mitte Mai 2016 erneut Pfandgut. Dafür erhielt sie jeweils Abmahnungen. Am 05.06.2016 fand der Sicherheitsdienst wieder eine Vielzahl von Pfandflaschen in Taschen, die sie bei sich hatte. Die Klägerin hatte gegenüber der Arbeitgeberin erklärt, sie benötige dringend Geld.
Durch einen Unfall ihrer Tochter seien Schulden entstanden.

Ein nachhaltiger Verstoß gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers, so das Bundesarbeitsgericht, sei eine Vertragspflichtverletzung, die grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne.

Die Klägerin hatte sich in dem Verfahren betreffend die neue Kündigung darauf berufen, dass die Arbeitgeberin ihr das sammeln von Pfandflaschen auch außerhalb ihrer Arbeitszeit untersagt hatte. Daher sei die Anweisung der Arbeitgeberin unwirksam. Diesen Einwand ließ das Bundesarbeitsgericht nicht gelten. Ob die Anweisung der Arbeitgeberin, auch außerhalb der Arbeitszeit keine Pfandflaschen zu sammeln, rechtmäßig sei, könne, so das Bundesarbeitsgericht, dahinstehen, weil die Anordnung der Arbeitgeberin ohne weiteres teilbar sein. Wenn man unterstellt, dass die Weisung, außerhalb der Arbeitszeit zu sammeln, rechtswidrig sei, so bleibe immer noch ein gültiger Teil der Anweisung, nämlich das Verbot des Sammelns während der Arbeitszeit.
Und dieser Teil wahre die Grenzen des billigen Ermessens gemäß §§ 106 Satz 1 Gewerbeordnung, 315 BGB.

Interessant noch für Betriebsräte:
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bestand hinsichtlich der Weisung der Arbeitgeberin kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Gemäß § 87 Abs. 1 Nummer 1 Betriebsverfassungsgesetz besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Hier sei es aber um Regelungen und Weisungen gegangen, die sich konkret auf das Arbeitsverhältnis und nicht das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer bezogen hätten. Deshalb, so das Bundesarbeitsgericht, hat kein Mitbestimmungsrecht bestanden. Die Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestand, spielte eine Rolle, weil die Weisung der Arbeitgeberin unwirksam gewesen wäre, wenn sie mitbestimmungspflichtig gewesen wäre. Das ergibt sich aus der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung.

Bewertung: Es ist traurig, dass Arbeitnehmer aufgrund ihrer schlechten Bezahlung gezwungen sind, während der Arbeitszeit oder außerhalb der Arbeitszeit Pfandflaschen zu sammeln. Juristisch ist an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nichts zu bemängeln. Die Klägerin hat erst in der Revisionsinstanz den Einwand vorgetragen, die Arbeitgeberin hätte vor der Kündigung prüfen müssen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz in Betracht komme, an dem das sammeln von Pfandgut nicht möglich sei. Dieser Vortrag war allerdings verspätet und konnte daher vom Bundesarbeitsgericht nicht mehr überprüft werden.

(Eingestellt am 01.01.2019)